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Martin Marheinecke Julproblem
28.04.2017, 09:55

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Das Jul-Problem

Wieso heidnische Weihnacht in Deutschland ein Politikum ist

  1. Weihnachten - ein germanisches Fest?
  2. Von der Nationalromantik zur "braunen Weihnacht"
  3. Neurechte Weihnachtsliteratur und die angebliche "Erosion der Abgrenzung"

1. Weihnachten - ein germanisches Fest?

Die ersten Christen feierten noch keine Weihnachten - die Geburt des Menschen Jesus schien gegenüber seiner Hinrichtung und Auferstehung unwichtig, denn sie lebten in Erwartung des "nahen Weltgerichts". Erst im Laufe des 3. Jahrhunderts bürgerte sich der Brauch ein, Jesu Geburt zu feiern - zunächst am 6. Januar. Nun gab es um die Wintersonnenwende herum im römischen Reich ein wichtiges Fest, die Saturnalien, zu Ehren des Göttes Saturn, eine Art: "Karnevalsfest" in der Zeit "zwischen den Jahren", den zwölf Nächten zwischen Sonnenwende und Neujahr. Ab dem 2. Jahrhundert breitete sich die Verehrung des altiranischen Göttes Mithras vor allem in der Legion aus. Züge des Mithras vermischten sich mit denen des Sonnengott Sol; es entstand der Kult des "Sol Invictus" (unbesiegte Sonne), dem schärfsten Konkurrenten des Christentums im 4. und 5. Jahrhundert. Der jährliche Sieg des "Sol Invictus" über das Dunkel wurde kurz nach der Sonnenwende, am 25. Dezember, gefeiert, symbolisiert als Geburt des Sonnenkindes. Um von der Popularität dieses Festes zu profitieren, verlegte der römische Bischof Liberus das Fest der Geburt Jesu auf den diesen Tag. Infolgedessen drangen viele mit dem Sonnengott verbundene Vorstellungen in das christliche Fest ein.

Es gab ohne Zweifel bei den vorchristlichen Germanen ein Fest zur Wintersonnenwende, allerdings lässt sich aufgrund der spärlichen Quellenlage kaum etwas darüber sagen. Etwas genauer sind wir über das Mitwinterfest der Nordgermanen zur Wikingerzeit unterrichtet, so z. B. über das "Midvinterblot" (Mittwinteropfer) im schwedischen Alt-Uppsala, das vom christlichen Chronisten Adam von Bremen geschildert und mit gruseligen Menschenopferschilderungen ausgeschmückt wurde. Auch aus Saga-Texten und der Edda lässt sich einiges über die Mittwintergebräuche dieser Zeit ableiten, allerdings sollte man nicht vergessen, dass diese Texte erst lange nach der Missionierung niedergeschrieben wurden. Auch Volksagen, wie die über die "wilde Jagd" zu den Rauhnächten, geben Hinweise auf die germanischen Mitwintervorstellungen - allerdings kaum mehr als eben Hinweise. Dasselbe gilt auch für die zahlreichen Jul-Sagen aus dem nordgermanischen Raum.

Im Zuge der Missionierung gelangte das römisch überformte Christfest vom 6. bis zum 9. Jahrhundert in den rechtsrheinischen Raum, nachdem das Christentum schon länger in den ehemals römischen Gebieten des heutigen Deutschland Fuß gefasst hatte. Sicher erleichterte die zeitliche Nähe zur Sonnenwende die Einführung des neuen Festes, aber es ist nicht so, dass die Missionare ein existierendes Fest einfach „christlich umdeuteten“ – sie brachten das kirchliche Fest der Geburt Christi als im wesendlichen fertiges Fest aus dem römischen Raum mit.

Midvinterblot - (symbolisches?) Selbstopfer des Königs
Gemälde von Carl Larsson nach Adam von Bremen

813 wurde der 25. Dezember verbindlicher Kirchenfeiertag. Ob dies, wie oft behauptet, geschah, um sich an Volksbräuche zur Mittwinternacht anzugleichen, ist reine Spekulation. Das deutsche Wort "Weihnachten", aus dem mittelhochdeutschen "ze den wîhen nähten", "zu den heiligen Nächten", ist in einem Gedicht des Spruchdichters Spervogel aus dem Jahr 1170 erstmals literarisch belegt, also so lange nach der Missionierung, dass sich damit keine Bezüge zu heidnisch-germanischen Vorstellungen herstellen lassen.

Das Julfest, das skandinavische Mittwinterfest, wurde im Jahre 940 vom norwegischen König Håkon dem Guten auf den Tag des Christfestes am 25. 12. verlegt. Vom älteren Fest wurden im wesendlichen Äußerlichkeiten wie der Julschmaus übernommen. Das christliche Weihnachten ist nicht das heidnische Mitwinterfest, sondern es ersetzte es. Für ein "Sonnenkind" oder ähnliche mittwinterliche Geburtsmythen fehlen im germanischen Raum alle Belege, so dass es bei den Inhalten einen deutlichen Bruch gegeben haben wird.

Weihnachten blieb lange Zeit ein neben Karfreitag / Ostern zweitrangiges christliches Fest. Die Entwicklung zum heute bekannten Familienfest setzte erst in der Neuzeit ein.

Der Weihnachtsbaum z. B. stammt aus den Festgebräuchen der südwestdeutschen Handwerkszünfte und ist erst in der späten Renaissancezeit nachweisbar. Sicher waren grüne Zweige zur Mittwinterzeit seit langem als Lebenssymbol gebräuchlich, allerdings wäre es vermessen, den Weihnachtsbaum deshalb schon als "altgermanisch" anzusehen. Von den städtisch bürgerlichen Handwerkerschichten breitete sich der Brauch auf den Adel aus; hier zog der Weihnachtsbaum auch in die privaten Räumlichkeiten ein, denn der Weihnachtsbaum der Zünfte stand im öffentlichen Raum. Es war auch der Adel, der den Weihnachtsbaum über Deutschland hinaus verbreitete, der erste Weihnachtsbaum Englands wurde z. B. erst 1800 von der aus Deutschland stammenden König Charlotte aufgestellt. Dass der Weihnachtsbaum im ländlichen Raum erst im 19. Jahrhundert Einzug hielt, spricht ebenfalls gegen einen uralten Brauch, da sich überliefertes Brauchtum auf dem Lande meistens länger hält als in der Stadt. Der Adventskranz hat erst recht nicht mit einem alten Jahreskreis-Symbol zu tun, er wurde vom Hamburger Sozialreformer und Begründer der "inneren Mission" Johann Hinrich Wichern 1839 im "Rauhen Haus" eingeführt und breitete sich recht schnell im Norden aus, kam aber erst im frühen 20. Jahrhundert auch nach Süddeutschland. Das es tatsächlich ältere "Kranzbräuchen" gab, erleichterte dem Adventskranz die Ausbreitung, was die Legende vom "uraltem Brauchtum" des "Sonnenkranzes" auch nicht wahrer macht.

Erst im 19. Jahrhundert waren alle Komponenten des heute bekannten bürgerlichen Familienfestes komplett: die vorweihnachtlichen Festlichkeiten, der geschmückte Tannenbaum in der "guten Stube", der Austausch von Geschenken, schließlich der Adventskranz und ab dem Biedermeier der Weihnachtsmann. (Die Geschichte, der Weihnachtsmann sei ein Produkt der Coca Cola-Werbung aus dem Jahr 1931 ist eine Halbwahrheit - es gab ihn schon gut 100 Jahre früher, "Coke" sorgte lediglich für ein "global vereinheitlichtes" Santa Claus-Design in rot-weiß). Zugleich setzte das ein, was gemeinhin die "Verweltlichung" des Weihnachtsfestes genannt wird: der Weihnachtsgottesdienst ist nicht mehr alleiniger Höhepunkt der bürgerlichen Weihnacht, mindestens ebenso wichtig ist die "Bescherung" im Familienkreis.

Die Behauptung, Weihnachten und sämtliche mit diesem Fest verbundenen Inhalte und Symbole seien auf germanisches Brauchtum zurückzuführen, ist falsch. Es ist ein im Kern christliches Fest, die z. B. vom Mittwinterfest oder dem Fest des Sol Invictus übernommenen Merkmale sind eher "Benutzeroberfläche" in geschickter Anpassung der christlichen Botschaft an andere Kulturen als integrierte Bestandteile. Ebenso falsch ist aber auch die Behauptung, Weihnachten sei ein "rein christliches" Fest, frei von heidnischen Elementen. Weihnachten ist nicht nur Christfest, sondern auch ein buntes Konglomerat aus nichtchristlichen - jüdischen, römischen, altpersischen, germanischen, keltischen und slawischen - Elementen, aus frühneuzeitlichen Zunftbräuchen und adliger Selbstdarstellung, aus romantischer Kunst und volkpädagogischen Ansätzen, aus bürgerlicher Harmoniesucht und proletarischer Sehnsucht nach einer besseren, heileren, Welt, aber auch aus großen Anteilen skrupelloser politischer Propaganda und noch größeren eiskalt kalkulierten Werbestrategien – und noch vielen anderen Einflüssen mehr. Weihnachten ist "das" Fest der "abendländischen Zivilisation" in all ihren Facetten.

2. Von der Nationalromantik zur "braunen Weihnacht"

In das 19. Jahrhundert fällt auch die Zeit der Nationalromantik - in Deutschland verbunden mit der "Germanen-Manie". Da über die authentischen Feste und Bräuche der Germanen damals noch weit weniger bekannt war als heute (und auch heute ist das Wissen bruchstückhaft), ergänzten Vermutungen, Spekulationen, Projektionen und freihändige Erfindungen die mageren Fakten. Es entstanden "Wunschgermanen", je nach Vorliebe in den Ausführungen "edle Wilde", "todesmutige Krieger" oder "Kulturschaffer aus dem Norden". Ab der Biedermeierzeit wurden auch "germanische" Sonnenwendfeiern "wiederbelebt", oder besser, auf der Grundlage weniger Quellen neu erschaffen. Selbst gewissenhafte Gelehrte wie die Gebrüder Grimm erlagen dem "Germanenkomplex": neben vielen verdienstvollen Beiträgen zur Mythenforschung finden sich bei ihnen auch Überinterpretationen und Projektionen, z. B. ist die von ihnen postulierte germanische Frühlingsgöttin Ostara eher ein Produkt der Spekulation als der Quellenforschung. Schon Zeitgenossen machten sich über den Hang der Grimms lustig, jeden bunten Hahn und jede schwarze Katze in Volksmärchen als "germanische Gottheit" zu deuten. Fataler als die sich herausbildende "altgermanische Fantasiewelt" wirkt bis heute die nationalistische Gleichsetzung von "germanisch" und "deutsch". Einerseits, weil es die slawischen, romanischen, keltischen usw. Vorfahren "der Deutschen" unterschlägt, andererseits, weil auch Dänen, Engländer, Isländer, Niederländer, Norweger, Schweden usw. nach Sprache und Kultur "Germanen" sind - sich aber in Mentalität, Selbstverständnis und Geschichte drastisch von den Deutschen unterscheiden.

Übrigens entwickelte sich auch in Dänemark und vor allem in Schweden ebenfalls ein nationalromantischer "Germanenkult" mit allen Begleiterscheinungen - nur als Warnung für jene, die glauben, alle Jul-Bräuche "aus dem Norden" seien garantiert authentisches nordgermanisches Brauchtum!

Julleuchter - ein beliebtes Geschenk Himmlers an verdiente SS-Angehörige
Angelehnt an einen archäologischen Fund aus Schweden; die Fund-Deutung "Julleuchter" ist umstritten.

Einen traurigen Höhepunkt erreichte die in "völkischen Kreisen" seit Mitte des 19. Jahrhunderts verbreitete Legende vom "germanischen Weihnachtsfest" in der Nazizeit.

Hier geriet die Legende vollends zur kalkulierten Geschichtslüge.

Ungeachtet der Quellenlage wurde von offiziellen Stellen (vom Propagandaministerium über den Schulungsdienst Hitlerjugend über den Lehrerbund bis zum Oberkommando der Wehrmacht) vehement ein durch und durch "urdeutsch / germanisches" Weihnachtsfest propagiert. Die "Julfeier" am Tag der Wintersonnenwende war zwar keine Propagandaerfindung der Nazis, ihre Ausgestaltung un d ideologischen Inhalte schon. Das Fest sollte überall im Reich nach einer einheitlichen Inszenierung ablaufen: Schweigemarsch, Entzünden des Julfeuers, Kranzwurf, Ahnengedenken, Lichtersprüche usw. . Die Verbindung zwischen dem öffentlich gefeierten Julfest und dem familiären Weihnachtsfest sollte ein frei erfundenes "altes Ritual", genannt "Heimholung des Julfeuers" schaffen: am öffentlich brennenden Julfeuer sollten die Kerzen für den heimischen Tannenbaum entzündet werden.

Wenn auch das "Vollbild" dieser Julfeier abgesehen von Feiern der SS oder der Partei kaum realisiert wurde, wirkt die NS-Weihnacht bis heute nach. Vor allem die militärisch inszenierte "Soldatenweihnacht" hinterließ bleibende Eindrücke. Auch viele der "traditionellen Weihnachtsmärkte" verdanken ihre Existenz den NS-Propagandabteilungen. Selbst der bekannteste Weihnachtsmarkt, der Nürnberger Christkindlmarkt, geht in weiten Teilen auf die Reichsleitung der NSDAP zurück - so wurde der Markt auf "Führerwunsch" in die Innenstadt verlegt, genaue Vorschriften zur Gestaltung der Stände und des Sortiments erlassen usw. - ein eher banaler weihnachtlicher Jahrmarkt wurde zum "einzigartigen festlichen Ereignis" uminszeniert. Elemente dieser nationalsozialistische Weihnachtsideologie, von der Deutung des Adventskranzes als "Jahreskranz" bis zur "blauen Kerze", die ursprünglich für die fern der Heimat feiernden "Volksgenossen" entzündet wurde, bis zu der religionsgeschichtlich absurden Vorstellung, der Nikolaustag am 6. Dezember sei ursprünglich das Wodansfest gewesen, haben sich bis heute erhalten. Noch schwerer wiegt, dass die Weihnachtsideologie der Nazizeit, die praktisch alle Weihnachtsbräuche "germanisch" uminterpretierte, Eingang in die Handbücher und Lexika der damaligen Zeit fanden. Auch nach 1945 wurde diese Bücher benutzt, so dass die NS-Interpretation in viele Bücher und Artikel Eingang fand - oft ohne dass den jeweiligen Autoren bewusst ist, dass die vermeintliche "volkstümliche Überlieferung" aus den Giftküchen von Goebbels Propagandaministeriums oder der SS-Stiftung "Ahnenerbe" stammt.

3. Neurechte Weihnachtsliteratur und die angebliche "Erosion der Abgrenzung"

Schon seit einiger Zeit finden sich Versatzstücke aus der NS-Weihnachtsideologie nicht nur "per Zufall" in Büchern und Zeitschriften, sondern auch offensichtlich beabsichtigt in unverdächtigen "Hausbüchern für die Weihnachtszeit". Ein markantes Beispiel wäre "Björn" Ulbrichs "Geweihte Nächte" (siehe: "Arun-Verlag: Völkisches Gedankengut geschickt erpackt in besinnliche Weihnachtsliteratur"). Andere Weihnachtsbücher, die Fragmente (neu-) rechten Denkens und reichlich Weihnachtliches aus der NS-Festliteratur enthalten, sind "Weihnachten feiern" ("Fêter Noel") von Alain de Benoist, dem "Vordenker" der neuen Rechten oder Dieter Muniers "Hausbuch Deutsche Weihnacht". Auch "echte" Neonazis wie der Rechts(-aussen-)anwalt und Ober-Artgemeinschafter Jürgen Rieger nehmen sich des Themas "Julfest" in Buchform an: "Weihnachten – Brauchtum im Artglauben".

Judith Breuer, Autorin des für den Einsatz in Schule und Erwachsenenbildung konzipierten Buches "Von wegen Heilige Nacht! - Das Weihnachtsfest in der politischen Propaganda" (Verlag an der Ruhr 2000), vermutet nicht ohne Grund eine Strategie hinter solchen Weihnachtsbüchern mit braunen Einsprengseln. Die Weihnachts-Propaganda ist "unverdächtig", denn wer vermutet schon rechtsextremistische Inhalte in Weihnachtsbüchern? Mit der Weihnachtspropaganda erreicht die "Neue Rechte" auch Zielgruppen, die sich von ihrem Gedankengut sonst mit Grausen abwenden würden: traditionell eher links gerichtete Kreise aus Öko-Bewegung. Esoterik, Naturreligion. Von Frau Breuer stammt auch eine ebenfalls beim Verlag an der Ruhr erschienene Aufklärungsbroschüre mit dem Titel: "Weihnachten und Rechtsextremismus", die an Schulen verteilt wird und von der Website des Verlags ( http://www.verlagruhr.de ) kostenlos als PDF-Dokument herunter geladen werden kann.

Zumindest im Falle der Neuen Rechten aus dem Benoist-Lager dürfte Frau Breuer mit ihrem Verdacht, dass das Weihnachtsfest im metapolitischen Konzept (kulturelle Vorherrschaft, Besetzen von Schlüsselbegriffen usw. ) instrumentalisiert werden soll, recht haben. Darüber, ob auch ein Stefan "Björn" Ulbricht politische Ziele hat, lässt sich nur spekulieren – dass sein Buch dazu beiträgt, "völkisches" Gedankengut stückweise salon- bzw. wohnzimmerfähig zu machen und somit metapolitisch wirkt, ist eindeutig.

In einem Punkt ist der Ansatz der Autorin problematisch: Die nicht zu bezweifelnde Tatsache, dass es über die tatsächlichen Festgebräuche der "alten Germanen" recht wenig gesichertes Wissen gibt, interpretiert sie in dem Sinne, dass alles, was an "germanischen Bräuchen" kursiert, freie Erfindung (zu Propagandazwecken) ist. Das ist in dieser Schärfe falsch! Selbst wenn z. B. die Schilderung einer germanischen Feier in einem Jugendbuch mit der auf einer neurechten Website wie www.asatru-online.de übereinstimmt, heißt das nicht, dass besagte Schilderung rechtsextrem sei. Sie könnte z. B. ohne weiteres in beiden Texten aus der historischen Fachliteratur übernommen worden sein. Ebenso folgt aus der Tatsache, dass Weihnachten kein germanisches Fest ist, weder, dass jede Art von heidnischer Deutung des Weihnachtsfestes auf die Nazis zurückgeht, noch, dass es überhaupt keine germanischen Traditionselemente im Weihnachtsfest gäbe.

Damit erscheint die von Frau Breuer gesehene "Erosion der Abgrenzung" in einem anderen Licht. Sie meint z. B. dass es sich um nationalsozialistisches Gedankengut handle, wenn in einer pädagogischen Fachzeitschrift ein Text steht, in dem behauptet wird, dass das Weihnachtsfest "altes germanisches Brauchtum mit christlich geprägten Vorstellungen" vereint. (Das ist auch dann nicht der notwendigerweise der Fall, wenn, was leider der Fall ist, dieser im Heft 50 vom November 1981 in "Praxis Deutsch - Zeitschrift für den Deutschunterricht" erschienene Text historische Fehler enthält.)

Selbst der von ihr wegen der ARUN-kritischen Artikel ansonsten positiv gesehene "Rabenclan" liefert ein angebliches Indiz für die Erosion der Abgrenzung: "(...) 3. Erschwert wird eine saubere Abgrenzung und Stellungnahme gegen das "Julfest" im nationalsozialistischen Sinne außerdem durch die begriffliche Vermischung mit dem skandinavischen "Jul", eingedeutscht "Julfest" als Feier der (v.a.) schwedischen Weihnacht. Dieser "Julfest" Begriff im Sinne skandinavischer Lebensart ist hierzulande inzwischen weit verbreitet ("IKEA Phänomen") und auch absolut positiv besetzt. Vgl. dazu auch: http://www.rabenclan.de/container/cont_midsommar.htm (...)"

Und weiter unten zum selben Punkt noch schärfer: "(...) Die in den letzten Jahren sprunghaft angestiegene, aber vielfach unkritische Verwendung des Begriffes "Julfest" im alltäglichen Sprachgebrauch ist ein Beispiel für die Besetzung und Umwertung von Schlüsselbegriffen ("kulturelle Hegemonie")."

Erosion der Abgrenzung gegen Neonazis durch "Svenska Jul?"
Santa Lucia Feier in Schweden (13. Dezember), gilt dort als "geglückte Symbiose von christlicher und heidnischer Symbolik"

Ihr Problem ist offensichtlich, dass ein Begriff, den sie in Deutschland bislang eindeutig als rechtes Schlüsselwort angesehen hat, offensichtlich doch nicht so eindeutig verwendet werden kann. Anstatt ihren Schlüsselwortkanon infrage zu stellen, sieht sie stattdessen im Wort "Jul" einen Beweis für den Einzug rechtsextremer Begriffe in den sprachlichen Normalraum. Dieses Wort kann jedoch ausschließlich in Deutschland überhaupt als Nazibegriff gedeutet werden. Damit sieht sie im Prinzip den skandinavischen Sprachraum, wo dieser Begriff schlicht Alltagssprache ist - und daher auch als übernommenes Fremdwort unproblematisch sein sollte - völlig durch die "deutsche Brille". Überspitzt hieße das: "Wer schwedische Weihnachtbräuche samt den dazugehörigen Begriffen aufgreift, der schwächt die Grenzbefestigung zu den Rechtsextremisten."

Sie torpediert dadurch, dass sie sich auf Reizworte konzentriert, die als Beweise für rechte Ideologie herhalten sollen, unnötigerweise ihre Argumentation, denn ihre Gegner könnten sie - wegen einiger offensichtlich fragwürdiger Schlüsse - schnell in die Ecke der nicht ernst zu nehmenden "Nazi-Hysteriker" stellen, in die diese verdienstvolle Aufklärerin nun wirklich nicht gehört. Reizworte wie "Sinngebäck", "Lichtersprüche" oder "Jahreskranz" sind sicher Indizien dafür, das es ratsam ist, den besagten Text inhaltlich auf "rechtes Gedankengut" abzuklopfen, aber keine hinreichenden Beweise, dass er wirklich die entsprechende Ideologie enthält. Begriffe wie "Julfest", "Sonnenwendfeier" oder "germanisch" sind für sich genommen noch nicht einmal Indizien für rechtes Gedankengut.

Martin Marheinecke, Dezember 2003 << Imbolc - Brigid - Oimelc - Lichtmess - Kerzenfest | Liste Nach Autoren | Des "listigen Guidos" Erben - Der Armanenorden >>

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