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Hans Schumacher Zaesur
28.04.2017, 09:55

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Die Zäsur, ihr Ort und ihre Zeit

Eine Erörterung im Rahmen des Ariosophieprojekts anlässlich des Hegemonie-Anspruchs Gézas von Neményi über das "traditionelle Heidentum" - Ein aktuelles Beispiel zu einem landläufigen Symptom.

von Hans Schuhmacher im Namen und Auftrag des Rabenclan - Arbeitskreis für Heiden in Deutschland e.V.
- Alle Rechte beim Autor -

Einleitung
Géza von Neményi, Oberhaupt der sogenannten "Germanischen Glaubensgemeinschaft", bezeichnete sich schon vor längerer Zeit als "Allsherjargode" und konkretisiert dies neuerdings, indem er sich als "oberster Priester und Sprecher aller germanisch orientierten Heiden, im weiteren Verlauf auch aller Heiden bezeichnet sowie eine Definition des Heidentums darlegt." (1) Anscheinend implizierte erstere Bezeichnung seiner Ansicht nach bereits früher diesen Anspruch, aber weder selbstverliehener Titel noch Neményis schon früher anklingende Hegemonieansprüche fanden auch nur in der Heidenszene ernstliche Beachtung. Im Laufe der Arbeit an diesem Projekt haben wir schon des Öfteren die Strukturen der Heidenszene, die Rolle ihrer Fürsten und Potentaten sowie deren Statussymbolik betrachtet - ein "Allsherjargode" fiel einfach neben Ober- und Hochdruiden und dergleichen nicht weiter auf. Géza von Neményi selbst hingegen ist uns keineswegs ein Unbekannter. (2)

Die ausgebliebene Beachtung verschafft sich Géza von Neményi nunmehr durch oben erwähnte Erklärung, von der er sich anscheinend allen Ernstes eine Durchsetzung seines Anspruchs verspricht. Eine derart ans karnevalistische Ambiente gemahnende Proklamation, die Passagen wie "Der Allsherjargode ist mit dem Godenrat (über dessen Zusammensetzung allein Géza von Neményi entscheidet, Anm. d. Verf.) eine Anlaufstelle für alle inhaltlichen Fragen zum traditionellen Heidentum und bewahrt das Heidentum vor Verfälschung und Umdeutung. Für alle einzelnen Heiden und heidnischen Gemeinschaften ist somit eine Richtschnur vorhanden, die das traditionelle Heidentum einheitlich darstellt..." (3) enthält, wäre der Beachtung durch dieses Projekt ebenso wenig wert wie der Titel des "Allsherjargoden", und zwar aus denselben Gründen. Allmachtsansprüche seitens wie auch immer betitelter Oberpriester der Heidenszene wurden hier schon ad nauseam behandelt und können ihrer Natur nach kein Gegenstand der Untersuchung sein, sondern allenfalls Indizien liefern. Neményis Manöver jedoch, sich per seiner Proklamation auch und gerade zum Sprecher der nicht organisierten traditionellen Heiden zu machen - ein Begriff, der in diesem Artikel eine zentrale Bedeutung einnehmen wird - erregte Zorn und Widerstand. Dieser und die sich entwickelnde Auseinandersetzung bringen für uns höchst interessante Sachverhalte zu Tage, da einige scheinbare und eine echte Zäsur zu Tage treten, die für dieses Projekt von Bedeutung sind. Andererseits wollen wir Neményi und seinen Eskapaden nicht mehr Raum zumessen als unbedingt nötig. Der Initiator des Widerstands der "Unorganisierten", Haimo Grebenstein, hat unter www.highmoe.de alles Wesentliche zusammengetragen, wofür wir ihm zu Dank verpflichtet sind - wir können uns auf kurze Verweise beschränken.

1. Zur Person Géza von Neményi
Obschon die vielfältigen Aktivitäten des Géza von Neményi ihm bereits vor Jahren Nennung und Beachtung im Rahmen dieses Projekts eintrugen, ist die Frage, ob der ein Rassist ist oder nicht, für uns von untergeordneter Bedeutung. Es ist nicht Gegenstand des Ariosophieprojekts, Einschätzungen darüber abzugeben, ob Einzelpersonen Rassisten sind oder nicht, sondern den pseudoreligiösen bzw. pseudokosmologischen Rassismus, die Mechanismen seiner Entstehung, Erhaltung und Verbreitung und seine Verkopplung mit anderen antidemokratischen, anti-egalitären und autoritären Ideengebilden und Strukturen zu untersuchen. Ohne ihm Recht und Würde der Person absprechen zu wollen, ist Géza von Neményi im Rahmen dieses Projekts kein "Täter", sondern ein Symptom. Als Leiter einer Organisation der Heidenszene nimmt er einen spezifischen Platz in einer komplexen Struktur ein, auf welchem er agiert, und diese Strukturen sind unser Gegenstand.

Es ist eindeutig belegt, dass Géza von Neményi vor etlichen Jahren zumindest in sehr engem Kontakt zum Armanenorden stand, den man ohne jeden Zweifel als ariosophische Organisation bezeichnen muß. Auch bei diesem Sachverhalt geht es nicht darum, ob von Neményi als Person dort etwa zum konkreten Rassisten wurde oder mit einer bereits passenden Gesinnung mit dem Armanenorden Kontakt aufgenommen habe. Bekanntlich bestehen Aktivitäten und Lehre des Armanenordens nicht ausschließlich aus rassistischen Thesen respektive deren Vermittlung. Vielmehr hängen die rassistischen Thesen, die dort zweifelsfrei vertreten werden, engstens und in unauflöslicher Verbindung mit der List'schen Ariosophie zusammen, die ihrerseits vorgibt, ein "germanisches" Weltbild zu sein und sich zwar als kohärentes Weltbild darstellen und abbilden lässt - allerdings nicht als germanisches Weltbild, sofern man das Wort "germanisch" auf die historisch real existierenden germanischen Gemeinschaften bezieht. Die List'sche Ariosophie projiziert ein autoritäres, rassistisches Regime mit einer Ständeordnung in die Vergangenheit - einer Ständeordnung übrigens, die sich in Géza von Neményis pseudohistorischen Ideengebilden immer wieder abzeichnet.

Nememyis Neubegründung der "Germanischen Glaubensgemeinschaft" wurde im Rahmen dieses Projekts bereits erwähnt. (4)

Für uns ist hier und heute der Umstand von Bedeutung, dass Neményi nicht wie beispielsweise Volkert Volkmann eine neue Organisation ins Leben rief. Volkmann - dies zum Vergleich - gründete den "Yggdrasil-Kreis" und berief sich sodann auf eine "Legitimation" seitens einer britischen Vereinigung sowie "Einweihungen" seiner selbst in "alte Traditionen" - wir haben uns hier zur Genüge mit dergleichen "Legitimationen" und "Einweihungen" befaßt. (5) Sie dienen dem Zweck, die Organisation aufzuwerten, ihre undemokratische Struktur abzusegnen und jenseits von Kritik und Diskussion zu stellen sowie schließlich den Leiter mit einem Nimbus zu umgeben, der es ihm ermöglicht, im Rahmen der Organisation seinen Willen uneingeschränkt durchzusetzen, seine Lehre zum unanfechtbaren Dogma zu machen und mit dieser wiederum die Struktur der Organisation zu stützen. Neményi ging diesen Weg nicht. Auch in seiner Proklamation beruft er sich nicht etwa auf ominöse "Einweihungen" und Legitimationen seitens anderer Organisationen, sondern auf das, was er "Tradition" und "Wissen" nennt. Das ist in mancherlei Hinsicht interessant.

Wir haben früher darauf hingewiesen, dass in den Zeiten vor der Gründung des Rabenclans die Fürsten der Heidenszene die Hegemonie gemeinsam ausübten. (6) Zwar kam es hin und wieder zu Rivalitätskämpfen, doch waren die Führer letzten Endes aufeinander angewiesen und wussten das auch. So konnten Angriffe von außen (seitens der Antifa und der Medien) zur Stärkung der eigenen Machtposition genutzt und Abweichler zum Schweigen gebracht werden. Manch einer von ihnen wird sich sehnsüchtig an die Zeiten erinnern, als etwa ein halbes Dutzend Individuen "das Heidentum" definierten und völlig unter ihrer Knute hatten. Nun, diese Zeiten sind vorbei und werden nie wiederkehren - auf die Zeiten der alten Hegemonie wurde hier aber aus gutem Grund kurz eingegangen, wie man noch sehen wird.

Warum aber ging Neményi nicht den Weg, den Volkmann ging? Wir werden es vermutlich nie erfahren, aber können durchaus sagen, dass, gleichen Machtwillen vorausgesetzt, Neményi der Klügere war. Volkmann nämlich machte das Ansehen seiner Organisation von Ansehen und Verhalten einer Organisation abhängig, die er nicht kontrollierte, wogegen Neményi sich selbst zum Oberhaupt auch der Vorgängerorganisation machte. Weiterhin bildeten sich die Führer der Heidenszene damals ernsthaft ein, eines Tages mit ihrem "Heidentum" Ansehen in der Gesamtöffentlichkeit erringen zu können, obwohl für ihren Machterhalt die Randgruppen-Situation ein sehr wichtiger Faktor war, wie wir hier zeigen konnten. Die Öffentlichkeit aber reagiert auf "Einweihungen" anders als auf "Wissen" und "Tradition", und möglicherweise war Neményi das klar.

Bedeutsam für uns ist hier, dass Neményi schon damals die "legalistische" Form der Selbstlegitimation wählte bzw. ihr den Vorzug vor der "esoterischen" gab.

2. Der Machtanspruch
Wir werden hier davon absehen, Neményis Proklamation im Einzelnen zu besprechen - sie ist im Internet einsehbar und spricht vollkommen für sich selbst. Seit den Tagen der Hegemonie der Heidenfürsten haben sich die Verhältnisse drastisch geändert - und die Entwicklung, die real stattfand, war von den Heiden-Potentaten nicht vorausgesehen worden. Eine der mitgliederstärkste Organisationen im Feld Heidentum/Naturreligion ist der Rabenclan, der sich klar und eindeutig von Rassismus und antidemokratischen Organisationen abgrenzt. Ihm steht ein gewählter Vorstand vor, und trotz mancher Querelen durchdringen basisdemokratische Prozesse nach und nach alle Aspekte und Tätigkeiten der Organisation, die über Status und Strukturen einer bloßen Repräsentations- und Funktionärsdemokratie deutlich hinauswill. Erfreulicherweise ist außerdem eine Aktivitäts- und Bedeutungszunahme des "Steinkreis" und der "PF D.A.CH." zu verzeichnen, die ebenfalls keineswegs gewillt sind, sich von "Oberpriestern" beherrschen zu lassen und sich von rassistischen Lehren strikt abgrenzen. In früheren Zeiten definierten die Fürsten der Heidenszene, was "germanisch" oder "keltisch" war, obwohl sie mitnichten das intellektuelle Rüstzeug mitbrachten, um der seriösen Beschäftigung mit alten Kulturen auch nur ansatzweise gerecht zu werden. Auch das ist schon lange nicht mehr so, denn beispielsweise die Nornirs Aett - Auftraggeberin dieses Projekts - und der Eldarring beziehen sich bei ihrer inhaltlichen Arbeit auf tatsächliche historische Sachverhalte und verweisen die List, Kummer, Marby, Weisthor und wie sie alle heißen, dorthin, wohin sie gehören, nämlich in den braunen Sumpf.

Neményis Machtanspruch gehört von seiner Typik her also in die Zeit der Hegemonie der Heidenfürsten - freilich war er auch damals einer von ihnen. Diesen Machtanspruch hätte er allerdings damals nicht formulieren können, denn die damaligen Zustände machten es jedem einzelnen Heiden-Potentaten unmöglich, alle anderen zu unterwerfen, worauf wir auch hingewiesen haben. Jetzt also versucht er den großen Wurf, und das, aus seiner Sicht, mit einiger Berechtigung: von allen Heidenfürsten hat er sich am besten gehalten. Der Armanenorden und die ANSE sind unter dem Feuer der Kritik zu Rudimenten zerkrumpelt, Volkmanns Yggdrasil-Kreis ist in eine marginale Position abgerutscht, die "Heidnische Gemeinschaft" und die "Artgemeinschaft" halten sich anscheinend bedeckt. In gewisser Weise hat Neményi seine einstigen Standesgenossen beerbt: im Grunde verkörpert er, was von der alten Herrlichkeit der Heidenfürsten übriggeblieben ist. Dies gilt aber ebenso für seine Methoden und Ziele.

Bedeutsam ist hierbei insbesondere, dass Neményi im Vorjahr einen energischen Annäherungsversuch an den Rabenclan machte. Es entspann sich eine lange und in mancher Hinsicht vielsagende Diskussion (die übrigens dokumentiert ist und bei Bedarf veröffentlicht werden kann), in welcher Neményi zu wiederholten Malen und mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln versuchte, sich vom Verdacht der mangelnden Abgrenzung gegen rechtsextremistische Organisationen und Tendenzen zu reinigen. Der Versuch schlug fehl, der Allsherjargode ward abgewiesen, zumal die mit dem Rabenclan kooperierende Nornirs Aett nicht im Entferntesten daran dachte, sich mit Neményi einzulassen.

So fällt noch ein anderes Licht auf Neményis Proklamation: schlägt sein großer Wurf fehl (und das wird er), dann ist sein Weg in den Bedeutungsverlust vorgezeichnet, auf welchem er in den Fußspuren seiner einstigen Standesgenossen wandeln wird.

3. Die Auseinandersetzung
Nunmehr kommen wir zu denjenigen Vorgängen, die für uns besonders interessant sind. Haimo Grebenstein hat dankenswerterweise sämtliche Foren, auf denen die Diskussion um Neményis Proklamation und die nachfolgenden beiderseitigen Aktionen geführt wird, mit seiner site verlinkt, so dass man sich leicht ein Bild machen kann.

Auf den ersten Blick entsteht ein etwas diffuser Eindruck. Haimo Grebensteins Unterschriftenaktion richtet sich gegen Neményis Vertretungsanspruch, nicht gegen ihn selbst, häufig driftet die Diskussion - allerdings verständlicherweise - in eine Besprechung Géza von Neményis ab. Wie es zu erwarten war, will niemand außer Neményis eigenen Anhängern ihn in seiner proklamierten Position sehen. Vollends irritierend wirkt, dass selbst bekannte und bekennende Rechte sich gegen Neményi aussprechen - allerdings nur auf den allerersten Blick. Die Demokratie abzulehnen und sich Neményi zu unterwerfen ist zweierlei. Dies ist die erste falsche Zäsur: pro und contra Neményi, denn über dieses statement hinaus wird überhaupt nichts ausgesagt und womöglich eine Gemeinsamkeit insinuiert, die es nicht gibt. Man ist sicher gut beraten, annäherungswillige Rechte nicht ins eigene Haus zu lassen, Neményi hin oder her.

Die zweite falsche Zäsur entsteht um die Frage herum, ob man überhaupt jemanden in einer solchen Position sehen will oder nicht, unabhängig davon, ob es Neményi ist oder nicht (oder unter der Bedingung, dass es nicht Neményi ist). Auch zur Zeit der Hegemonie der Heidenfürsten gab es weder ein gemeinsames Oberhaupt noch einen "Sprecher" - es wäre auch gar nicht möglich gewesen, einem der rivalisierenden Potentaten diese Rolle zuzuweisen, aus dem simplen Grund, dass es jeder hätte sein wollen und keinesfalls einen Rivalen in der Position geduldet hätte. Heute aber ist die Frage vollends absurd, denn eine sich endlich abzeichnende Mehrheit lehnt "Oberpriester" und dergleichen kategorisch ab, wogegen sie bei den Restorganisationen der Heidenszene ein unentbehrlicher Teil des Systems sind. Haimo Grebensteins Zorn ist berechtigt, sein Engagement lobenswert, und seine Aktion sollte unterstützt werden, zumal Neményi versucht, ihn unter Druck zu setzen und immer noch die Sprache der einstigen Heidenfürsten pflegt. Aber aus Sicht dieses Projekts trifft die Frage "Oberpriester oder nicht" nicht den Kern der Sache.

Die Kernfrage ist vielmehr, was "traditionelles Heidentum" ist. Neményi wirft sich dazu auf, dies zu definieren, und ob nun sein von ihm eingesetzter "Godenrat" hierbei etwas mitzureden hat oder nicht, mag für einen Unterschied halten, wer will. Betrachtet man sich Neményis inhaltliche Aussagen, so stellt man fest, dass er nicht nur eine Ständelehre ins germanische Altertum projiziert, ebenso wie Guido von List, sondern auch methodisch voll und ganz nach List´schem Vorbild verfährt.

So ist der Tierkreis der Astrologie für ihn ein "Tyrkreis", der Wolf Garm wird allen Ernstes mit dem "Karma" in Verbindung gebracht, an das Neményi anscheinend glaubt, und Jesus mit dem keltischen Gott Esus. Ein wissenschaftlich vorbelasteter Mensch zögert bei der Benutzung des Terminus "Methode", denn in jedweder Wissenschaft verbindet man damit gewisse Ansprüche. Allein die aufgeführten Beispiele zeigen Neményis Inkompetenz in Sachen Linguistik, Sprachgeschichte bzw. Indogermanistik, Vergleichender Mythologie, Kulturwissenschaft sowie Alter und Mittelalterlicher Geschichte, von Disziplinen wie Skandinavistik und Vor- und Frühgeschichte ganz abgesehen. Es zeigt sich, dass Neményi wenig von zeitgenössischen germanischen Sprachen und anscheinend gar nichts von alten germanischen Sprachen versteht, aber seine Verbalakrobatik gleicht aufs Haar den List'schen Wortverdrehungen, die dieser seinerzeit als Forschung ausgab.

Freilich geht aus Neményis "Wissen" seine proklamierte Position aus dem germanischen Altertum heraus zwingend hervor, was man sich in seinen Ausführungen selbst zur Genüge ansehen kann. Was die realhistorische Situation angeht, so sei der Kürze halber auf den Klassiker der Germanenforschung, "Stammesbildung und Verfassung - das Werden der frühmittelalterlichen gentes" von Reinhard Wenskus (1968) verwiesen. Keinesfalls ist hier der Ort, sich mit Neményis "Wissen" Punkt für Punkt auseinanderzusetzen, und es versteht sich, dass Neményis pseudohistorische Extrapolationen absurd sind und jeglicher Grundlage entbehren.

In gewisser Weise kann Neményi aber den Begriff "traditionell" für sich in Anspruch nehmen. Er steht nämlich, was durch seine Übertragung des Karma-Begriffs in den germanischen Raum hinreichend belegt ist, fest in der Tradition theosophischer Ausbeutung und Verzerrung alter Kulturen. Diese Tradition reicht immerhin bis ins 19. Jahrhundert zurück, ist also noch älter als die erste sogenannte "Germanische Glaubensgemeinschaft". Auch Guido List, von dem er bezüglich der Methode abhängig ist, ist ein Klassiker - der Ariosophie.

Soll aber der Begriff "Traditionelles Heidentum" tatsächlich Sinn machen, dann muß er sich auf die möglichst korrekte Rezeption alter Kulturen beziehen, und mit diesen sind autoritäre Strukturen, Theosophie, Ariosophie und mithin die gesamten Lehrgebäude der alten Heidenszene unvereinbar.

Dies ist die echte Zäsur, und dies ist ihr Ort. Ihre Zeit lässt sich folgendermaßen charakterisieren: Neményi erntet auch mit seiner Interpretation von "traditionellem Heidentum" Zorn und Protest, aber vielen kann er seine Phantasien noch als "Wissen" verkaufen. Der Prozeß schreitet fort - denn es gab eine Zeit, da man sich in diesem Projekt noch ernsthaft mit der "Legitimation" der "Eingeweihten" befassen musste. Trotz all dem Schaden, den Neményi im Laufe seiner langen und gewundenen Karriere auf dem Weg zur Macht angerichtet hat, steht bereits fest, dass ihm die Geschichte zwei Funktionen zuweisen wird: als Mahnmal dessen, was einmal möglich war und nie wieder sein darf zum einen, zum anderen als Narr.

Hans Schuhmacher

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1.) http://www.highmoe.de/gvn
2.) s. Die Ariosophie - Ein Überblick
3.) s.Anm. 1
4.) s. Die Ariosophie - Ein Überblick
5.) s. Die Ariosophie - Ein Überblick und Anmerkungen zum Thema Mythos
6.) s. Anm. 5

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