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Hans Schuhmacher Voelkische 2
28.04.2017, 09:55

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Völkische Ideologie - Teil 2: Was ist völkische Ideologie?

Der Begriff "völkisch" ist wesentlich bekannter, als es der Begriff "Ariosophie" noch Mitte der 90er Jahre war. Seitens von Kritikern erscheint der Begriff stets gemeinsam mit denen der "Metagenetik" und der "Neuen Rechten", jedoch kann keinesfalls davon ausgegangen werden, dass allgemein bekannt wäre, um was es sich wirklich handelt. Dies ist unter anderem daran erkennbar, dass "völkisch" (zum Beispiel "völkischer Heide", "völkische Asatru") als Selbstbezeichnung von Individuen und Gruppen verwendet wird, ohne dass die Betreffenden Gefahr liefen, dass man ihnen außerhalb eindeutig rechtsextremer Kreise sofort die Tür wiese, wie das bei bekennenden Ariosophen inzwischen der Fall wäre. Es ist eins der Ziele, das ich beim Verfassen dieses Artikels verfolge, dies zu ändern, denn die völkische Ideologie gehört, wie wir noch sehen werden, genauso in den Bereich der rassistischen Ideologien wie die Ariosophie.

Man darf davon ausgehen, dass die völkische Ideologie von rechten Vordenkern ersonnen wurde, um rechtes Gedankengut zu verbreiten, ohne auf die seit dem Sturz des Dritten Reiches damit verbundenen Schwierigkeiten zu stoßen. Elemente, die als "völkisch" bezeichnet werden können, tauchen zwar auch in der Ideologie des Dritten Reiches selbst auf, zumal die Begriffe "Volk" und "Volksgemeinschaft" zu den Kernbegriffen des deutschen Faschismus gehören, aber die zeitgenössische völkische Ideologie zeichnet sich eben dadurch aus, dass sie offensichtliche Anlehnung an diese Ideologie sorgsam vermeidet. Wir haben bei der Betrachtung des Entstehungskontextes von Theosophie respektive Ariosophie gesehen, in welchem Maße dieser die jeweiligen Ideologien geprägt hat. Hinter rechten Ideologien steht stets ein antidemokratischer politischer Wille. Waren Theosophie und Ariosophie nicht zuletzt gegen die sich Raum verschaffende Arbeiterbewegung gerichtet und mobilisierten zu diesem Zweck nicht zuletzt Bürgerängste, so entstand die zeitgenössische völkische Ideologie innerhalb parlamentarischer Demokratien nach dem zweiten Weltkrieg und ist auf deren Umformung nach rechten Zielvorstellungen angepasst. Wir werden noch sehen, dass ihre Grundmuster ebenso wie die von Theosophie und Ariosophie im 19. Jahrhundert zu finden sind, wie dies für alle zeitgenössischen antiegalitären Ideologien gilt. Im Gegensatz zu jenen soll die völkische Ideologie aber an den Wächtern der Demokratie vorbeischlüpfen - ein Problem, mit dem sich Blavatzki, List und Liebenfels nicht konfrontiert sahen. Weiterhin würde jemand wie der Großindustrielle Wanniek, der Förderer Lists, heutzutage keinesfalls mehr einen Ideologen offen unterstützen, der von "Ariern" phantasiert. Um also solcher Förderung teilhaftig zu werden, müssen moderne rechte Ideologen ihre Ideologie salonfähig machen, um dann, wenn diese akzeptiert ist, auf die Verhältnisse hinzuarbeiten, die sie anstreben.

Ebenso wie es beim ariosophischen Rassismus in der Heidenszene der Fall war und ist, genügt den rechten Ideologen die Duldung - allgemeine Zustimmung brauchen sie nicht. Die Heidenszene vor der Gründung des Rabenclans war nicht darum ein Herd faschistischer Ideologien, weil alle Szenegänger Faschisten gewesen wären (wie es die Antifa behauptete), sondern weil die Ariosophen geduldet wurden. Auch ist die Heidenszene heute noch ein Tummelplatz rechter Demagogen, wo sie nach wie vor geduldet werden, und ihre fortwährenden Appelle an "Toleranz" (beispielsweise auf den Rabenclan-board) zeigen, dass es lediglich diese "Toleranz" (nämlich Duldung) ist, die sie wollen und brauchen. Freilich ist nicht jeder, der "Toleranz" für Rechte fordert, selbst ein Rechtsextremist - es gibt ebenfalls solche, die sich von ihnen instrumentalisieren lassen. Angesichts der Tatsache, dass sachdienliche Information heutzutage nur einen Mausklick entfernt ist, muß man aber diese Instrumentalisierten in die Verantwortung nehmen und sie als das sehen, was sie sind, nämlich Helfershelfer.

Charakteristischerweise taucht neuerdings ein anderer Typus des Helfershelfers auf. Ich bin der Boardbesucherin sehr verbunden, die folgendes schrieb:

"Hinsichtlich des Sortiments bin ich als BW Lerin? halt etwas liberal eingestellt: Geschäft ist Geschäft und ein Einzelhändler in einem Nischenmarkt (für Lususartikel (sic) - nichts davon ist lebenswichtig) muss es sich überlegen, eine vorhandene Nachfrage evtl. nicht zu bedienen."

Es ging um eindeutig dem rechten Spektrum zuzuordnende Waren in einem Ladengeschäft. Verbunden bin ich der Beiträgerin, weil ich hier die Frage aufwerfen kann, warum man denn nicht gleich gefüllte Benzinkanister, Sturmfeuerzeuge, Baseballkeulen und Lagepläne der Asylantenheime der jeweiligen Städte anbietet - ein bißchen Profit wird damit doch wohl zu machen sein. Es ist nicht zuletzt diesen "etwas liberalen" Zeitgenossen zu verdanken, dass Neonazis inzwischen fest zum Straßenbild gehören. Das Ariosophieprojekt wird künftig dem kommerziellen Aspekt des Rassismus größere Aufmerksamkeit widmen.

Die Strategie der völkischen Ideologen zielt also nicht auf allgemeine Zustimmung, sondern auf Duldung. Freilich ist der Einsatz von Helfershelfern beabsichtigt - wodurch wir wiederum das längst vertraute Bild der konzentrischen Kreise vor uns sehen; von außen nach innen: die Dulder, die Helfershelfer, die Ideologisierten, die Ideologen. Nach Ludwik Flecks Theorie von der "Entstehung einer wissenschaftlichen Tatsache" ist die völkische Ideologie eine auf Expansion ausgerichtete Denkwelt, die sich des Mechanismus der Kohärenz bedient. Wir erinnern uns: Fleck formulierte die These, dass sich Ideen ausbreiten, weil sie mit anderen, bereits vorhandenen Ideen kohärent sind. Rechte Ideologien müssen also an "Bekanntes" und "Selbstverständliches" quasi andocken, um ihre Inhalte zu transportieren. Wir dürfen damit rechnen, dass an die "Natur" appelliert werden wird, denn gesellschaftspolitische Ideologien appellieren stets an die "Naturordnung" - also an diejenige Ordnung, die passend zur Zielsetzung in die Natur hineinprojiziert wird. Dies lässt es im Umkehrschluß stets zu, aus Aussagen bezüglich der "Natur" die beabsichtigten gesellschaftlichen Verhältnisse herauszulesen. Wir haben diese Methode mit einigem Erfolg auf die Theosophie anwenden können und werden sie nunmehr auf die völkische Ideologie richten.

Es ist an der Zeit, ein Beispiel heranzuziehen. Lucas Corso hat mit seinem mehrteiligen Artikel über den Arun-Verlag eine ausgezeichnete Phänomenbeschreibung erstellt. Da die geschätzte Leserschaft dort sehr viel über den Hintergrund sowie die Verbreitungsparameter von Äußerungen Björn Ulbrichs erfahren kann, befasse ich mich hier mit den dort zitierten Textpassagen.

Aus "Die geweihten Nächte" von Björn Ulbrich und Holger Gerwin:

"Heidnische Natur-Religionen dagegen, wie z.B. die der Indianer, der Afrikaner aber auch der Alten Europäer werden gelebt und getragen ausschließlich von den Völkern in ihren angestammten Gebieten und stehen daher auch diesen nur zur Verfügung. Natürliche Religion kann man nicht auswählen wie ein Parteibuch, sie ist bereits mit der Geburt stark vorherbestimmt - dies ist eben nur nicht jedem bewußt. Der Mensch ist nicht so frei, wie es den Anschein haben kann. Es ist äußerst fragwürdig, natürliche Vorgaben ohne Not aufheben zu wollen - niemand kann sich ungestraft der schrankenlosen Beliebigkeit hingeben. Was nicht heißt, dass man die eigenen Möglichkeiten nicht mehr oder weniger ausformen könnte, der Rahmen aber ist unveränderlich gegeben. Körper und Geist sind eine untrennbare Einheit, und damit haben auch Charakter und Einstellungen eine starke angeborene Komponente. (...)So besitzen die unterschiedlichen Menschentypen auch eine unterschiedliche Disposition bezüglich Spiritualität und Religion. Nachhaltige - genetische - Veränderungen sind nur über sehr lange Zeiträume möglich. Die Vorstellung, sich quasi durch bloßes Nachdenken für den einen oder anderen Glauben entscheiden zu können, ist absurd - dies funktioniert tatsächlich nur mit erfundenen, von der biologischen Realität abgelösten Religionen."

Auf Aussagen bezüglich der "Naturordnung" sind wir - aufgrund von Lucas Corsos exzellenter Textauswahl - sofort gestoßen. "Völker", so die Verfasser, haben "angestammte Gebiete". Unter "Völkern" haben wir anscheinend etwas "Natürliches" zu sehen, nicht etwa (wie es die historische, anthropologische und ethnologische Wissenschaft tut) soziale Konglomerate, die ihre Existenz soziokulturellen sowie nicht zuletzt politisch-historischen Prozessen verdanken. Nun sollen diese "Völker" auch noch "angestammte Gebiete" haben, also Territorien, in die sie "von Natur aus" gehören - der gewiß mit Sorgfalt gewählte Begriff "angestammt" soll anscheinend diesen pseudo-organischen Zusammenhang betonen. Die Logik gebietet, dass, wenn der Aufenthalt im "angestammten" Gebiet "natürlich" ist, der Aufenthalt in anderen Gebieten "widernatürlich" oder "unnatürlich" sein muß. Dies ist allerdings weit mehr als "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus" in anderer Formulierung. Die gesamte Weltgeschichte lässt sich so in "natürliche" und "widernatürliche" Vorgänge aufteilen. Die Historizität von gesellschaftlichen, kulturellen und sozialen Zuständen insgesamt wird in Abrede gestellt, und kulturelle Zugehörigkeit wird als pseudo-biologisch determiniert angesehen. Hierdurch werden Kulturen zu nichts anderem als einer Manifestation einer "Natur" die freilich von völkischen Ideologen definiert wird, welche dann in der Folge zwischen "natürlicheren" und "weniger natürlichen" Kulturen ganz nach Belieben unterscheiden können. "Natürlich" ist nämlich im Rahmen solch einer Ideologie, was auch immer der Ideologe als "natürlich" ansieht.

Die Menschheit wird nicht als Ganzes gesehen, sondern in "natürliche" "Völker" gegliedert. Das führt zu rassistischen Aussagen, da man unter dieser Voraussetzung zwingend zwischen "natürlicher" und "widernatürlicher" Fortpflanzung unterscheiden muß - im eigenen "Volk" oder nicht. Da Menschen aber infolge von Fortpflanzung existieren, gibt es von vornherein "natürliche" und "widernatürliche" Menschen - denn wenn man "natürlicherweise" zu einem "Volk" gehört, ist es "unnatürlich", zu zweien zu gehören.

Ein beliebtes rhetorisches Manöver der Völkischen besteht, nebenbei gesagt, darin, ihre Kritiker als "Universalisten" zu bezeichnen. Das ist wahrlich ein alter Hut, denn bereits der uns sattsam bekannte Armanenorden präsentierte sich gern als Gegner der "Einheitskultur". Auf derselben rhetorischen Schiene - charakteristischerweise - versuchen völkische Ideologen, ihre Kritiker als Befürworter eben jener "Einheitskultur" zu verunglimpfen, was angesichts des hier Vorgetragenen schon jetzt in seiner vollen Absurdität erscheint: wer nämlich beim Thema "Kultur" respektive "Kulturen" vollkommen inkompetent ist, sind die Völkischen selbst. "Organische Völker" und "natürliche Kulturen" gehören ebenso wie die zentralen Thesen der Theosophie in die schauerliche Mottenkiste des 19. Jahrhunderts.

Aus der salopp und nebenbei von den Verfassern postulierten Existenz der "Völker" mit ihren "angestammten Gebieten" ergibt sich für diese freilich die Existenz "natürlicher Religionen". Da Religion - im Sinne von Kosmologie - aber letzten Endes die Art und Weise ist, wie Individuen das Universum wahrnehmen, was freilich bedingt, wie sie darin agieren, ist dies gleichfalls "natürlich" determiniert - von "Volk" zu "Volk" verschieden, da diese ja "natürliche" Charakteristika aufweisen. Es ließe sich einwenden, dass hier von "natürlichen Religionen" die Rede ist, nicht von "natürlichen Weltanschauungen" - ebenso wie von "Völkern" und nicht von "Rassen" - aber das hieße, zu unterstellen, Religiosität hätte keinerlei Einfluß auf beispielsweise politische Ansichten, und das wäre sowohl absurd als auch eine Verkennung dessen, worauf die Autoren allem Anschein nach hinauswollen. Wenn es eine "natürliche Religion" gibt, gibt es eine "natürliche" Art, die Welt wahrzunehmen - das heißt: man hat so zu denken, wahrzunehmen, zu handeln, wie völkische Ideologen es definieren! Denn sie maßen sich die Definitionsgewalt über die "Natur" an. Selbstverständlich reißen sie hiermit gleichzeitig die Definitionsgewalt über die Inhalte der "natürlichen Religionen" an sich.

Diese "werden gelebt und getragen ausschließlich von den Völkern in ihren angestammten Gebieten und stehen daher auch diesen nur zur Verfügung. Natürliche Religion kann man nicht auswählen wie ein Parteibuch, sie ist bereits mit der Geburt stark vorherbestimmt - dies ist eben nur nicht jedem bewusst". Zum Beispiel ist es sämtlichen Humanwissenschaftlern keineswegs bewusst, im Gegenteil, es widerspricht in krasser Weise jedweder zeitgenössischer Wissenschaftlichkeit. Dies ist eine der in völkischen Texten recht seltenen Stellen, wo die "höhere Erkenntnis", die wir aus der Untersuchung der Theosophie kennen, herumgeistert - der erfolgreich Ideologisierte ist einer, dem etwas "bewusst" ist, was nur wenigen bewusst ist. So wird ihm erklärt, warum er Widerspruch erntet, und er wird diesen als Bestätigung seiner erworbenen Ansichten werten - ein Trick, wie gesagt, aus der Mottenkiste der Theosophie. Der Unterschied zu dieser besteht darin, dass dieses "Wissen" nicht als "geheimes Einweihungswissen" ausgegeben wird (ein Manöver, das wir hier anhand von Volkert Volkmanns Yggdrasil-Kreis untersuchten), sondern als (pseudo-)rationale Erkenntnis.

Um also "natürlich" zu leben, muß man derjenigen "natürlichen Religion" anhängen, die die völkischen Ideologen einem zuweisen - und, wie gesagt, inhaltlich definieren. Wenn also, was man unschwer ableiten kann, ein Afrikaner versucht, zu glauben, zu denken, wahrzunehmen, was ein Europäer glaubt, denkt und wahrnimmt, tut er etwas Widernatürliches. Das ist Rassismus. Bemerkenswert ist, dass die Verfasser keinerlei direkte rassistische Aussagen von sich geben. Stattdessen schreiben sie scheinbar über etwas so vermeintlich Harmloses wie "natürliche Religionen", transportieren hierbei aber fundamentale Grundbehauptungen über Menschen und "Natur": ein Paradigma.

Ein Parteibuch, so die Herren Verfasser, kann man willkürlich auswählen. Das ist interessant. Denn: wie kann es denn "natürlicherweise" verschiedene politische Meinungen geben, wenn doch das, was man glaubt, denkt und wahrnimmt, biologisch determiniert ist, wenn nicht aufgrund von "Unnatürlichkeiten?". Ein "Volk" muß doch, wenn all das "natürlicherweise" so ist, eine Meinung, einen Willen, ein Ziel haben - was zum Einen stark an die Ideologie des Dritten Reiches gemahnt und zum Anderen an eine Lieblingsidee des Armanenordens erinnert, nämlich die "Urdemokratie" in der Politik nicht stattfindet. Aber genau das ist es, was die Autoren sagen: die Wahl des Parteibuchs ist willkürlich, weil gleichgültig, weil politisch, solange klar ist, was "natürlich" ist. Hier sind es wiederum meine Ableitungen, nicht der Text selbst, die dies aufscheinen lassen.

"Es ist äußerst fragwürdig, natürliche Vorgaben ohne Not aufheben zu wollen - niemand kann sich ungestraft der schrankenlosen Beliebigkeit hingeben. Was nicht heißt, dass man die eigenen Möglichkeiten nicht mehr oder weniger ausformen könnte, der Rahmen aber ist unveränderlich gegeben. Körper und Geist sind eine untrennbare Einheit, und damit haben auch Charakter und Einstellungen eine starke angeborene Komponente."

An dieser Stelle sind gleichfalls die "natürlichen Vorgaben" freilich völkisch definiert - es heißt diesen folgen oder die Strafe für "schrankenlose Beliebigkeit" auf sich nehmen. Diese besteht freilich in den Folgen eines "unnatürlichen" Lebens. Diese Textpassage wiederholt auf der Ebene des Individuums, was auf der Ebene der "Völker" schon gesagt wurde. Gleichzeitig lässt sich aus dem obigen Zitat ein Ansatz für soziale Aussagen herauslesen: nicht Angehörigkeit zu einer sozialen Schicht, Erziehung, Ausbildung, Umfeld wirken bestimmend auf "Charakter und Einstellung" ein, sondern sie sind angeboren. Freilich bietet sich dadurch die Möglichkeit, Zustimmung zu oder Ablehnung von völkischer Ideologie biologisch zu begründen - ich, der ich sie, wie man sieht, nicht eben befürworte, muß "angeborene" Gründe dafür haben. Geza von Nemenyi versuchte bereits, meine Kritik an ihm so zu erklären.

"Der Mensch ist nicht so frei, wie es den Anschein haben kann." Das ist er gewisslich nicht, wenn er sich auf die völkische Ideologie einlässt - allerdings ist er damit zugleich aus der Verantwortung heraus. Denn was er denkt und tut, ist schließlich "natürlich". Konstruiert wird ein Mensch, der als organischer Bestandteil eines organischen "Volkes" agiert - oder sich eben "widernatürlich" verhält. Das ist ein faschistoides Menschen - und Gesellschaftsbild. Diese Konstruktion findet sich ebenfalls nicht explizit im Text, sondern ergibt sich aus dem logischen Weiterdenken der angesprochenen Thesen.

Übertragen wir dies ins Historisch-Politische, so können Kolonialismus und Imperialismus zu "natürlichen Vorgängen" werden, zumal heute in der Dritten Welt herrschende Zustände freilich nichts mit Kolonialismus und Ausbeutung zu tun haben, sondern dort schlicht "natürliche" Zustände sind. Dahin gelangt man nämlich, wenn man die Historizität alles Gesellschaftlichen leugnet.

Kommen wir nunmehr zur Darstellung der "Orientalen" im selben Text:

"Speziell der vordere Orient weist völlig andere Verhältnisse auf, als wir sie hier vorfinden: Den Wüstenvölkern des Morgenlandes ist der Licht- und Naturmythos der Nordleute unbekannt. Die Wiederkehr der Sonne hat für sie nicht dieselbe Bedeutung wie in den kalten Ländern - schließlich versengt die Sonnenglut ihr Land und verdörrt ihre Früchte. Hitze und Trockenheit erlegt den Menschen in Vorderasien noch heute einen strengen Überlebenskampf auf ... Dies alles prägt von jeher die orientalische Mentalität. Die Sinnsuche der Menschen galt eher der "Erlösung", da ihnen die Erde ja als "ewiges Jammertal", als Mühe und Pflege erscheinen musste (...) Das Gottesbild wandelte sich über die als feindlich empfunden Natur hin zu der gedanklichen Konstruktion eines paradiesischen Jenseits außerhalb derselben. Eine tröstend angenommene unvergängliche persönliche Seele bildete den Mittelpunkt des Glaubens, das "sündenhafte" Fleisch galt es zu überwinden. ...

Derartige Lehren fanden rasch Zulauf. Die Offenbarungsreligion stellt sich außerhalb von Logik und Vernunft, ist daher nicht zu beweisen, aber auch nicht zu widerlegen.(...) Parallel erlauben die Dogmen - Himmel und Hölle, Strafe und Erlösung, Jüngstes Gericht, Erbsünde oder die Gleichheit der Menschen - ein hohes Maß an Kontrolle, Steuerung und Disziplinierung. Solche Religion ist naturgemäß viel anfälliger gegen Fanatismus und Mißbrauch."

Besonders interessant ist, wie die "Gleichheit der Menschen" in obiger Aufzählung auftaucht - als "Dogma" unter anderen Dogmen einer insgesamt für Fanatismus und Missbrauch anfälligen Religion. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Aber: welcher Licht- und Naturmythos? Falls irgend eine germanische Kosmologie in irgend einer ihrer historischen Phasen gemeint sein sollte: Weder beispielsweise die Chatten der taciteischen Zeit noch die Isländer der Sagazeit hätten mit dem Begriff "Naturmythos" viel anfangen können, und es ist recht abenteuerlich, ihnen einen solchen aufzuoktroyieren, ganz zu schweigen von "Licht", von dem bekanntlich recht häufig in der New-Age-Esoterik die Rede ist, in den Quellen des germanischen Altertums bei weitem weniger. Aber das ist hier nicht unser Thema. Das "Dogma" von der Gleichheit der Menschen enthält er sicher nicht, dieser "Licht- und Naturmythos" - gleichfalls hat er ganz sicher nichts mit alten europäischen Kulturen zu tun.

Auch halte ich beispielsweise Mesopotamien nicht für ein Wüstenland. Die Autoren scheinen den gesamten vorderen Orient mit der arabischen Wüste zu verwechseln - jedoch ist hier für Geographieunterricht nicht der Ort. Es ist eine herauszuhebende Fehlleistung, eine Kulturlandschaft, in der das Bewässerungswesen mit Hilfe von Kanälen bereits in den etwa 5000 Jahre alten Mythen von Enki vorkommt, als schaurige Wüstenlandschaft darzustellen. Die angeblich so versengende und verdörrende Sonne spielt eine ungemein herausgehobene Rolle beispielsweise in der ägyptischen Mythologie, wo sie immer wieder gemeinsam mit ausgesprochen wohlwollenden Gottheiten auftaucht, und das, obwohl gerade in Ägypten die Präsenz der Wüste stets deutlich war. Weder die ägyptische noch die sumerische, auch nicht die akkadische Kultur (Babylon, Assur) schilderten die irdische Existenz als Jammertal. Dieser gesamte Unsinn läuft nur auf eine bekannte völkische Theorie heraus: das Christentum als artfremde Wüstenreligion. Nebenbei soll anscheinend gegen den Islam polemisiert werden, dem wir in dieser Untersuchung einen eigenen Artikel gewidmet haben. Zur Problematik des Antisemitismus hat sich Lucas Corso schon in seinem hier mehrfach erwähnten Artikel geäußert.

Zum Thema "artgemäß" und "artfremd" haben wir oben schon einiges gesagt. Das Christentum ist weder eine Wüstenreligion, noch eine orientalische Religion. Als Religion entstand es im eigentlichen Sinne erst durch Paulus, der römischer Bürger war und kein Wüstenbewohner. Seine Briefe richten sich an Städter, nicht an Beduinen. Das Entstehungsszenario in Palästina (das keine Wüste ist) war geprägt durch die mediterrane Welt der Oikumene unter römischer Herrschaft, die Evangelien wurden in der Koine aufgezeichnet, der Verkehrssprache des römischen Reiches, nicht in einer orientalischen Sprache, die Protagonisten tragen griechische Namen wie Andreas oder hellenisierte wie Johannes. Bevor die Christianisierung Mittel- und Nordeuropas begann, hatte das Konzil von Nicäa längst stattgefunden - was Christentum war, bestimmte letzten Endes der römische Kaiser, alles andere als ein "Orientale", und wenn sich beispielsweise die nordafrikanischen Kopten den Beschlüssen von Nicäa widersetzten und das irische Christentum prägten, so waren sie keineswegs "Orientalen" im Sinne der Verfasser. Was Vorstellungen vom "sündigen Fleisch" und dergleichen angeht, trug hierzu die hellenistische Sekte der Essener wesentlich mehr bei als irgend eine "orientalische" Quelle, ganz zu schweigen von der starken Abhängigkeit des antiken Christentums von der hellenistischen Philosophie, die ebenfalls nicht als "orientalisch" bezeichnet werden kann.

Für die völkische Ideologie muß das Christentum aber eine "artfremde Wüstenreligion" sein. Der zitierte Text zeigt in aller Deutlichkeit, wie der dilettantische Versuch unternommen wird, unliebsame Eigenschaften in den "Orient" hineinzuprojizieren, wobei oberflächliche Assoziationen (Wüste, heiß) an die Stelle von tatsächlicher Information treten. Aber der "Volkscharakter" der "Orientalen" muß ja charakterisiert und mit der "Natur" im völkischen Sinne begründet werden. Für die völkischen Ideologen muß das Christentum darum eine "artfremde Wüstenreligion" sein, damit sie folgendermaßen argumentieren können: Die Europäer sind ihrer Art (definiert von den Völkischen) entfremdet, weil man ihnen eine orientalische Wüstenreligion aufgezwungen hat. Hiervon werden dann allerlei weitere Missstände abgeleitet.

Abgesehen davon, dass die Darstellung der "Orientalen" eine rassistische ist (die "Natur" bringt sie dazu, Systeme zu schaffen, die anfällig für Fanatismus und Missbrauch sind, das ist eben ihre Mentalität - obwohl wiederum explizite rassistische Thesen vermieden werden) und sie bewusst in Staaten verbreitet wird, in der "Orientalen" als Minderheit leben, wird hier eine Anklage formuliert und eine Ursache für Missstände aufgezeigt. Daß sich die völkische Ideologie mitsamt ihrer "natürlichen Religion" als einzige "natürliche" Abhilfe anbietet, ist bereits klar, und dass rechte Ideologen bisweilen auf dem argumentativen Niveau von Staubsauger- und Versicherungsvertretern agieren, ist im Grunde nicht neu. Die Anklage aber ermöglicht es uns, Grundelemente der völkischen Ideologie herauszuarbeiten, indem wir keinen Geringeren als Michel Foucault heranziehen, was im nächsten Kapitel geschehen soll. Es geht vorliegenden Beitrag nicht nur darum, die Versatzstücke, aus denen die völkische Ideologie zusammengezimmert wurde, zu identifizieren - im Grunde haben wir zwei davon schon angesprochen. Erstens: das "Volk" als etwas sowohl genetisch Determiniertes als auch "Natürliches", zweitens: diese "Natur" selbst, charakterisiert als genetische Determinationsmaschine. Wir werden nicht nur sehen, dass die Völkischen hier nichts Neues hervorgebracht haben, sondern uns gleichzeitig der wichtigen Frage zuwenden, an welche "selbstverständlichen Wahrheiten" die völkische Ideologie beim Hörer oder Leser andocken soll und wie sie den Wächtern der Demokratie entschlüpfen soll, insofern letzteres nicht schon sichtbar geworden ist.

Ein offensichtliches taktisches Element ist die Vermeidung direkter rassistischer Aussagen und Thesen. Hierbei sollte aber nicht übersehen werden, dass dieses nicht nur die Zielrichtung hat, Kontrollinstanzen auszumanövrieren. Eine womöglich noch wichtigere besteht darin, die Ideologisierten oder zu Ideologisierenden nicht merken zu lassen, was ihnen eingetrichtert wird. Genau wie wir es bei den Theosophiederivaten gesehen haben, entsteht hierdurch eine Peripherie von Individuen, die sich selbst gar nicht für Rassisten halten, aber bereits wichtige Elemente der Ideologie sowohl weiterverbreiten als auch gegen Kritik verteidigen. Ich bezeichne daher weder Björn Ulbrich noch Holger Gerwin als Rassisten und behaupte nicht die Absicht ihrerseits, Leser ihres Buches zu eben jenen Schlüssen führen zu wollen, die ich aus ihren Textpassagen abgeleitet habe, oder ihnen ein solches Denken aufoktroyieren zu wollen. Das würde nämlich weder ich noch sonst irgend jemand wirklich zweifelsfrei nachweisen können, zumal es durchaus sein kann, dass sie "nur" Ideen weitertransportieren, denen sie selbst aus Unkenntnis aufgesessen sind. Angriffe auf Personen sind nicht, der Propaganda der Gegenseite zum Trotz, Ziel des Ariosophieprojekts. Vielmehr geht es um die Ideologie selbst sowie ihre Verbreitungsparameter und Auswirkungen.

Der bekennende Völkische Stilkam schrieb auf den Rabenclan-Board:

"Um hier keine neue Rassismusdiskussion aufflammen zu lassen: Ich sehe nur das als Rassismus an, was mit einer Wertung einhergeht. "Weisse sind schlauer als Schwarze", das wäre so eine typisch rassistische Äußerung. Natürlich ahne ich, worauf du hinaus willst. McNallen schreibt ja z.B., daß Asatru stürbe, wenn "wir" als Volk aufhörten zu existieren - und man (auch ich) liest da eben bei McNallen doch sehr das "we as whites" heraus. Das ist halt das Problem, daß das völkische Asatru, wie ich es verstehe, eine Gratwanderung ist, bei der man immer die Gefahr läuft, in die rassistische Ecke abzurutschen."

Wer will zweifelsfrei entscheiden, ob Stilkam nicht genau das selbst glaubt, was er da schreibt? Mit seiner Hauptaussage - Rassismus ist nur, was mit einer Wertung einhergeht - ist er rein sachlich im Irrtum. Rassismus ist kein Wertungskatalog, sondern ein Denksystem, das - unter anderem - Wertungen produziert. Wenn man sich mit der - im Grunde müßigen - Frage beschäftigt, ob es korrekt ist, Stilkam das Attribut "Rassist" zuzuweisen oder nicht, geht man in die Falle, welche die völkische Ideologie als wichtiges Element enthält: Man streitet sich mit einer Person herum, die aussagt, kein Rassist zu sein, und schon steht man als der böse Verfolger da, der andere zu Unrecht beschuldigt. Die Lösung dieses Problems besteht ganz einfach darin, sich mit der Ideologie selbst - und dem Rassismus - gründlich zu befassen. Wenn die Mechanismen herausgearbeitet und begriffen sind, spielt es nur noch - wie ja schon von Anfang an - eine untergeordnete Rolle, ob sich Stilkam (oder ein anderer Völkischer) wirklich um die Gefahr sorgt, "in die rassistische Ecke abzurutschen", oder ob er das nur vorgibt.

"Völkisches Asatru" aber gehört zweifelsfrei, eben weil es "völkisch" ist, in den Bereich des Rassismus. Dieser Artikel dient unter anderem dem Zweck, deutlich zu zeigen, dass und warum Rassismus eben kein Wertungskatalog ist, sondern ein Denksystem, wobei wir stellenweise auf unsere Arbeit an den Theosophiederivaten zurückgreifen können. So wird die oben charakterisierte Falle nicht nur außer Kraft gesetzt, sondern erscheint als Teil des Verbreitungs- und Verteidigungsmechanismus einer rassistischen Ideologie.

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