Rabenclan

Verein zur Weiterentwicklung heidnischer Traditionen e.V.

Heidentum
Hans Schuhmacher Walkueren Die Quellengeschichte
28.04.2017, 09:55

Startseite
Information in English
Wir über uns
Impressum / Kontakt
Pressestelle
Heidentum

Magazin
Aktuelles
Forum
Joculatorium
Links

Bearbeiten
Suchen



© Copyright 2003-2024 rabenclan.de

Zurück zu Die Walkueren - Inhalt
Zurück zu Die Überfahrt und große Schlacht

Óskmejyar

Erster Teil

Die Walküren in der Helgaquiða Hundingsbana I

Die Quellengeschichte

Angesichts einer norwegischen Invasionsdrohung trat Island im Jahre 1000 auf Beschluss des Allthings zum Christentum über. "Die Haupthandschrift, der berühmte Codex Regius ... der königlichen Bibliothek in Kopenhagen, geschrieben um 1270, bietet die Sammlung in einer Abschrift, deren Vorlage in die Zeit um 1220 – 1230 gesetzt wird, doch könnte die Textgeschichte einiger (oder aller?) Gedichte noch einige Jahrzehnte älter sein. Die Sammlung trägt infolge eines Irrtums des 17. Jahrhunderts den Namen Edda. Dieser kommt eigentlich nur dem Werke Snorri Sturlursons zu, hat sich aber eingebürgert und ist auch zur Gattungsbezeichnung geworden."(1)

Diese Literaturgattung verdankt aber ihren Ursprung nicht dem Hohen Mittelalter: "Erst recht war Dichtung eddischer Art überall im Norden verbreitet, was sich aus Runeneinschriften (besonders schwedischen) seit dem 9. Jahrhundert und vor allem im 11. Jahrhundert erkennen lässt, die jedoch nur kurze Gelegenheitsdichtungen bieten. Das Alter und die Herkunft der in aisl. Handschriften überlieferten Eddageschichte ist wegen ihrer Anonymität schwer zu bestimmen. Die Entstehungszeit kann bis nahe an die Zeit der handschriftlichen Überlieferung heran- und andererseits wohl auch bis ins 9. Jahrhundert zurückreichen, obwohl die Vermutungen dann (und erst recht, wenn man an noch frühere Entstehungszeit denken will) immer unsicherer werden. Da die Eddadichtung durch ihre freieren Versformen vor Umbildungen weniger geschützt war als die Skaldendichtung, ist hier in größerem Umfang mit Veränderungen des ursprünglichen Wortlauts zu rechnen. Viele Eddalieder waren wohl außerhalb Islands entstanden, in Norwegen, einige vielleicht auch in Dänemark oder in den im 9. Jahrhundert auf den Britischen Inseln entstandenen nordischen Siedlungsgebieten (hier wahrscheinlich die Helgi-Dichtung ...)"(2)

Der eigentliche Stoff, nämlich die Geschichte von Helgi und der Walküre, kann unter Umständen noch viel älter sein. Anstatt aber darüber zu spekulieren, welche Ereignisse und Verhältnisse der ursprünglichen Geschichte zugrunde liegen könnten, müssen wir hier, um unserem Thema gerecht zu werden, die Glaubwürdigkeit unserer Quelle bezüglich der Walkürenschilderungen diskutieren.

Mit der formelhaften Wendung ár var alda (früh in den Zeitaltern)(3), mit denen unsere Quelle beginnt, verlegt auch der Kompilator die Geschehnisse in die Altvorderenzeit. Sehr wahrscheinlich begann das nach Ranke und Hofmann vielleicht im heutigen Nordengland entstandene alte Helgilied mit dieser Aussage, vielleicht sogar wörtlich. Falls es wirklich aus dem 9. Jahrhundert stammt, kann es damals tatsächlich noch quasi rein heidnisch gewesen sein. Noch im Jahre 1014 beklagt sich Erzbischof Wulfstan von York: "Entlaufene Knechte seinen unter Aufgabe des Christentums zu Wikingern geworden und würde, sofern ihr bisheriger Herr sie erschlage, gar Anlass für überhöhte Wergeldforderungen... Oft versklave ein Knecht den Krieger, der vorher sein Herr gewesen sei; oft trieben zwei oder drei Seeleute eine Herde Christen von Meer zu Meer quer durch das Volk als öffentliche Schande für die Angelsachsen, sofern sie noch Schmach spürten."(4)

Es verknüpften sich also im 11. Jahrhundert sozialrevolutionäre Bestrebungen mit dem Heidentum. Wenn christliche Knechte zu heidnischen Freien werden konnten, waren Geschichten und Lieder der heidnischen Altvorderenzeit eine hochpolitische Angelegenheit. "Denn", so der Erzbischof, "hierzulande gebe es viele Totschläger und Verwandtenmörder, Priestermörder und Klosterverfolger, Meineidige und Mörder, Huren und Kindsmörder, ehebrecherische Unzüchtige, Zauberer und Walküren, Plünderer, Diebe und Räuber, ohne dass wir uns dieser Taten schämten - wohl aber der Wiedergutmachung gemäß den Bußbüchern!"(5) Laut Wulfstan, der es ja wissen musste, gab es im Nordengland des frühen 11. Jahrhunderts also Walküren.

Aber der uns vorliegende Text ist nicht dieses hypothetische alte Helgilied. Wenn wir davon ausgehen, dass er erstmals um 1230 in Island niedergeschrieben wurde, dann waren über 200 Jahre seit der Christianisierung vergangen. Wir müssen also unbedingt mit christlicher Einfärbung des Textes rechnen. Ich habe im vorigen Kapitel bereits bezüglich der Blutrachethematik darauf hingewiesen.

Was wir also vor uns haben, ist keine epische Schilderung dessen, was sich in der Altvorderenzeit zugetragen hatte. Es ist vielmehr eine Wiedergabe dessen, wie sich Isländer im 13. Jahrhundert diese Altvorderenzeit vorstellten. Aus der Luft gegriffen waren diese Vorstellungen keinesfalls, aber von einer ungebrochenen oder – in welcher Hinsicht auch immer – "reinen" Überlieferung kann keine Rede sein.

Wir tun also gut daran, die Aussagen der Helgaquiða Hundingsbana I bezüglich der Walküren stets mit der gebotenen kritischen Distanz zu betrachten. Selbst wenn es, wie Wulfstan ja mitteilt, zur vermutlichen Entstehungszeit des (hypothetischen) alten Hegiliedes noch Frauen gab, die sich als Walküren betätigten - im Island des 13. Jahrhunderts gab es sie nicht mehr.


Fußnoten:

(1)Ranke/Hofmann, Altnordisches Elementarbuch, S. 20
(2)ebd., S. 19f.
(3)Neckel, Edda, Bd.2, S. 5
(4)Jäschke, Kurt-Ulrich, Die Anglonormannen, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1981, S. 14
(5)ebd., S. 15


Weiter zu Helgi als Repaesentant der Altvorderenzeit
Zurück zu Die Walkueren - Inhalt

Mitglied im Rabenclan e.V. werden

Mitglied im Rabenclan werden?
Aktiv den Verein mitgestalten, neue Menschen kennenlernen, interne Rundbriefe erhalten, regionale Angebote nutzen, ermäßigte Teilnahme an den Veranstaltungen - wir freuen uns auf Euch!
Weitere Informationen und einen Mitgliedsantrag findet Ihr hier

News

Bücherspiegel 2016
Neue englischsprachige Monografie über (neo-)germanisches Heidentum von Stefanie von Schnurbein erschienen. Der Rabenclan wird rund ein dutzend Mal erwähnt. Mehr Informationen hier.

Kulturhistorische Beiträge

Óskmejyar Teil 1 - Die Walküren in der Helgaquiða Hundingsbana I (von Hans Schuhmacher)
Thesen zur Germanischen Frau (von Hans Schuhmacher)
Die unbekannte Tradition: Slawisches Heidentum(von Anna Kühne)

Übrigens:

Die Filtersoftware der Firma Symantec blockiert unsere Adresse.

Begründung:

Der Rabenclan verbreite jugendgefährdendes Material über Okkultismus und New Age. Wer einen Kommentar an Symatec schreiben mag, folge diesem Link: