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28.04.2017, 09:55

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Studentische Anfrage zu Geza von Nemenyi

Beantwortet durch eine persönliche Einschätzung Hans Schuhmacher (Ariosophieprojekt)

"Im Zuge eines Seminars ("Alte Götter und neue Heiden. Altnordische Mythologie im Neo-Paganismus" bei ***) im religionswissenschaftlichen Studium in *** werde ich ein Referat zum Thema "Geza von Nemenyi - Wer ist das?" halten und bitte Sie darum, mir mit Informationen zu der Person "Geza von Nemenyi" und zum Titel des "Allsherjagoden" weiterzuhelfen. Dabei interessiert mich vor allem der Einfluss Nemenyis auf das "(Neu-)Heidentum", aber auch seine Beziehungen zu den Rechten. Weil im Internet sehr widersprüchliche Auffassungen zu diesem Thema kursieren und Herr Nemenyi anscheinend viele Informationen von Internetseiten entfernen lässt, wende ich mich an Sie, da Sie immer wieder als seriöser Verein angeführt werden."

Antwort durch Hans Schuhmacher (Ariosophieprojekt):

"Ihre Anfrage ist an mich weitergeleitet worden.

Bezüglich Ihrer Einschätzung der Schwierigkeiten bezüglich Geza von Nemenyi - nämlich die äußerst diffuse "Quellenlage" und alle damit einhergehenden Probleme - stimme ich Ihnen zu. Nemenyi betreibt selbst meiner Einschätzung nach eine Vernebelungspolitik, die aber ebenfalls äußerst diffus ist und hauptsächlich auf drei Faktoren zurückgeführt werden kann.

Erstens: Nemenyi stellt seine eigene "Karriere" verschiedenen Adressaten gegenüber unterschiedlich dar. Dies gilt insbesondere bezüglich des Themas Armanenorden. Zitierfähig und seriös ist in dieser Angelegenheit Stefanie von Schnurbein: "Religion als Kulturkritik", schlicht und einfach darum, weil es sich um eine in einer Publikationsreihe zur Skandinavistik erschienene Doktorarbeit handelt. Ich finde die Arbeit zwar in verschiedener Hinsicht kritikwürdig, ihr hoher Informationswert (Personen, Organisationen, Vorgänge ...) ist aber unbestreitbar. Die dortige Darstellung des "frühen Nemenyi" bildet allein aufgrund der Informationen bezüglich der damaligen Gruppen (Armanenorden, ANSE, Heidnische Gemeinschaft, GGG) und Nemenyis Aktivitäten daselbst eine solide Arbeitsgrundlage. Ich habe selbst in meinen frühen Beiträgen "Über die Verschleierung ..." und "Ariosophie - ein Überblick stark auf Schnurbeins Arbeit zurückgegriffen.

Zweitens: Nemenyis inhaltliche Positionen haben sich einerseits im Laufe der Zeit immer wieder verändert und werden/wurden andererseits in jedem gegebenen Zeitraum von ihm selbst verschiedenartigem Publikum gegenüber unterschiedlich dargestellt. Meiner Auffassung nach glaubt er selbst, was er gerade proklamiert und ist sich der Widersprüche zu andernorts und zu anderen Zeiten Geäußertem nicht wirklich bewußt. Ich habe beispielsweise in "völkische Ideologie" darauf hingewiesen, wie er die Position des "hohen Eingeweihten" nach und nach verließ und sie durch die des "großen Quellenkenners" ersetzte, obwohl es sich dabei um zwei Legitimationsmodelle handelt, die sich nicht widerspruchsfrei miteinander vereinbaren lassen (Ein "Eingeweihter" verfügt über "Geheimwissen", das nicht preisgegeben wird, ein "Quellenkenner" muß öffentlich interpretieren). Das einzig gleichbleibende Element war und ist sein Autoritätsanspruch, doch auch dessen (vermeintlicher) Geltungsbereich war und ist diffus und unterliegt starken Schwankungen. Seit einigen Jahren operiert er mit dem Begriff des "traditionellen Heidentums", das letzten Endes identisch mit seiner sich stets wandelnden Auslegung von "Heidentum" ist. Ob er anderen zugesteht, "traditionelle Heiden" zu sein oder nicht, hängt ganz von der Tagespolitik der Heidenszene ab.

Ein Hinweis: man muss sich hüten, Kritik an Nemenyis Vormachtsansprüchen bzw. deren Zurückweisung innerhalb der Heidenszene mit einer inhaltlichen Auseinandersetzung zu verwechseln. Inhaltliche Argumente dienen in einer solchen Auseinandersetzung lediglich zur Untermauerung (seitens Nemenyis und seiner Anhänger) bzw. Verwerfung dieser Vorherrschaftsansprüche. Keinesfalls ist jeder, der gegen Nemenyis Ansprüche antritt, ein Kritiker rechter Ideologien.

Drittens: infolge von Nemenyis Metamorphose zum "großen Quellenkenner" beruft er sich in zunehmenden Maße auf Schriftquellen und Sekundärliteratur. Hierdurch entsteht ein sehr spezielles Problem: wer selbst mit den Quellen und den entsprechenden wissenschaftlichen Arbeitsweisen vertraut ist, bemerkt sehr bald, dass Nemenyi, wissenschaftlich gesehen, völlig inkompetent ist. In seinen Ausführungen besagen die Quellen stets das, was er gerade will. Wer aber mit Quellen und Arbeitsweisen nicht vertraut ist, gerät in einen diffusen Sumpf.

Interessant, ertragreich und unterhaltsam ist diesbezüglich der Artikel "Der Allsherjargode - neun Punkte der Kritik": http://www.tivar.de/down/down.php . Der Verfasser hat mit großer Akribie Äußerungen Nemenyis (mitsamt Quellenvermerken, also zitierbar) gesammelt, die meineserachtens als grundlegende Materialsammlung verwendet werden können.

Nemenyi taucht nicht ohne Grund immer wieder in meinen eigenen Publikationen auf. Für das Ariosophieprojekt hat er in erster Linie eine Indikatorfunktion, wie ich in "Völkische Ideologie" ausgeführt habe.

Zum Thema "Allsherjargode": Nemenyi behauptet zweierlei, nämlich erstens das historische Vorhandensein eines germanischen "Hohepriestertums" und zweitens seinen Anspruch, dieses widerbelebt und mithin innezuhaben. Historisch und kulturhistorisch ist seine Behauptung nicht haltbar, was durch einen kurzen Einblick in die moderne Germanenforschung leicht zu erweisen ist. Was seinen Anspruch angeht, so stützt sich Nemenyi auf eine faszinierende Mischung aus "Quelleninterpretation" (siehe oben) und quasi-formale Ansprüche, die auf seiner Neugründung und Übernahme der "Germanischen Glaubens Gemeinschaft" beruhen, die ursprünglich von dem ariosophischen Maler Ludwig Fahrenkrog geründet worden war (Schnurbein). Bezeichnend ist, dass Nemenyi Ansprüche auf den Umstand gründet, dass er sich "Allsherjargode" als Künstlernamen (!) in den Personalausweis hat eintragen lassen. Diese Legitimationspraxis allein erlaubt interessante soziologisch-sozialanthropologische Untersuchungen.

Zum Thema "Beziehung zu Rechten": hier greifen alle drei oben benannten Probleme. Meineserachtens steht beispielsweise Nemenyis Interpretation eines "germanischen Priestertums" erkennbar im Banne Guido Lists, der die hierarchische Ständegesellschaft der "Ario-Germanen" erfand, welche sich in Lehr-, Wehr- und Nährstand gegliedert haben soll (Schnurbein und andere zum Thema Ariosophie/List). Dies ist ein Beispiel dafür, dass Nemenyi die Provenienz seines eigenen Denkens gar nicht bekannt ist, denn er wehrt sich vehement dagegen, als Ariosoph bezeichnet zu werden. Ich bin durchaus bereit, ihm zu glauben, dass er seinerseits glaubt, kein Ariosoph zu sein. Was seine tatsächliche politische Position angeht, so kann man diese aufgrund der oben genannten Faktoren nicht eindeutig festnageln. Bezeichnend finde ich aber folgendes:

" Das beruht zuerst auf einem Konsens von Heiden verschiedener Gruppen in Berlin. Da gab es den Ariosophen nahestehende, da gab es götterlose Völkische, da gab es Wicca usw. Um nun gemeinsam etwas machen zu können, haben wir uns strikt auf die Überlieferungen unserer Vorfahren festgelegt. Die "Götterlosen" mußten also lernen, daß die Germanen Götter verehrt haben und wir es nun auch machen, die Ariosophen mußten ihre abgehobenen Theorien (Silbendeutung à la List) aufgeben. Die Wiccas mußten die Vielfalt von Gottheiten anerkennen und die Mehlkreise im Gras gabs auch nicht mehr. Aus diesem Ansatz hatte sich tatsächlich etwas Großes entwickelt, längst gab es die ursprünglichen Richtungen bei uns nicht mehr (ausgetreten oder assimiliert), aber unsere Form des Heidentums, die mit dem der Germanen zu vielleicht 95 % identisch ist, gab uns auch Kraft, erschloß uns Dinge, über die die Wissenschaftler teils noch heute rätseln, neu, und half uns in unserem Leben."

Quelle: http://www.paganforum.de/showthread.php?t=440&page=3

Das ist eine recht aktuelle Darstellung Nemenyis der von Schnurbein dargestellten Vorgänge und Zustände. Er ist sich vermutlich gar nicht dessen bewußt, in wie bezeichnender Weise er die Konstituierung des "Heidentums" schildert, und zwar unter maßgeblicher Beteiligung zweier rechter Richtungen. Die bei Schnurbein dargelegten Machtkämpfe, an denen er selbst in erheblicher Weise beteiligt war, läßt er aus.

Ebenfalls bei Schnurbein finden sich Belege für Nemenyis Provenienz aus dem Armanenorden und seine anscheinend ursprünglich enge Anbindung an Sigrun von Schlichting, mit der er sich später einen Machtkampf lieferte.

Ich habe mich selbst vor einiger Zeit in dem Beitrag "Nemenyi's Merits" zu seiner Person geäußert, der Beitrag ist im webzine des Rabenclan e.V. zu finden.

Was die Thematik "Nemenyis Einfluss" angeht, so muss man stark zwischen den von Schnurbein geschilderten Zuständen und der Gegenwart unterscheiden, da inzwischen gravierende Veränderungen stattgefunden haben. Nicht nur Nemenyis Positionen haben sich verändert, sondern auch seine Stellung innerhalb der Heidenszene (von der sich, wie Sie wissen, der Rabenclan kritisch distanziert). Ich habe in "Völkische Ideologie" dargelegt, wie das alte "Hohepriester-Modell" anderen Strukturen weichen mußte und gleichzeitig die Ariosophie hinter die völkische Ideologie zurücktrat. Meiner Einschätzung nach ist Nemenyi eine Art lebendes Fossil, der letzte "Heidenfürst" im deutschsprachigen Raum, der mit einer sehr kleinen Anzahl von Anhängern versucht, mit der Entwicklung Schritt zu halten und nach wie vor versucht, der "Allsherjargode" zu sein, was ihm seiner Meinung nach unzweifelhaft zusteht. Aber selbst Organisationen wie der Eldaring (siehe Anhang zu "Völkische Ideologie") reden bestenfalls mit ihm und lassen sich keineswegs auf ihn ein. Sein Autoritätsanspruch verbaut ihm Anschlussmöglichkeiten, seine Lehren stoßen auf Ablehnung und Spott - und zwar meineserachtens in erster Linie wegen des Autoritätsanspruchs. Möglicherweise treibt dies Nemenyi nach und nach weiter nach rechts - seine Positionen verändern sich, wie gesagt, je nach dem Grad der Ablehnung oder der Dialogbereitschaft anderer. In summa ist Geza von Nemenyi von einem maßgeblichen Protagonisten und einflußreichen Potentaten zu einer kuriosen Figur geworden, die längst keine Entwicklungen mehr mitgestaltet, sondern von diesen getrieben wird. Er wird stets dorthin steuern, wo man zeitweise bereit ist, ihn ernst zu nehmen, und sich entsprechend anpassen müssen. Dies wiederum macht ihn als Indikator sehr nützlich.

In der Hoffnung, Ihnen geholfen zu haben, verbleibe ich

mit freundlichen Grüßen

Hans Schuhmacher
Ariosophieprojekt"

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