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Thomas Fatheuer Buen Vivir 5
28.04.2017, 09:55

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Ecuador - eine Verfassung zum Guten Leben



Die Verfassung von Ecuador hat das Gute Leben als zentrales Verfassungsziel definiert, einer der neun Unterabschnitte befasst sich ausschließlich mit dem Recht auf ein gutes Leben und listet entsprechende Punkte auf. Dazu gehören beispielsweise das Recht auf Ernährung, Gesundheit, Erziehung und Wasser. Diese Formulierungen erinnern stark an die sogenannten Menschenrechte der dritten Generation, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte (WSK-Rechte). Aber in anderen Teilen der Verfassung wird deutlich, dass das Konzept des Guten Lebens mehr ist als ein neuer Name für WSK-Rechte. In dem Abschnitt «Regimen del Buen Vivir» wird das Konzept des Guten Lebens als grundlegendes Prinzip definiert, das ein neues Entwicklungsmodell («régimen de desarollo») begründet. Der Artikel 275 führt dazu folgendes aus: «Das Buen Vivir erfordert, dass Personen, Gemeinschaften, Völker und Nationen tatsächlich im Besitz ihrer Rechte sind und ihre Verantwortlichkeiten im Kontext der Interkulturalität, des Respekts ihrer Diversität und des harmonischen Zusammenlebens mit der Natur ausüben.»

Die Aufnahme dieses Prinzips hat von Anfang an auch in Ecuador zu Streit geführt. Es ist wohl dem Präsidenten der Verfassungsgebenden Versammlung, Alberto Acosta, zu verdanken, dass die Verfassung Ecuadors Elemente aufweist, die weit über das politische Projekt eines Präsidenten hinausweisen. Für Acosta, der als geistiger Vater des Buen Vivir als Verfassungsprojekt gelten kann, liegt die Bedeutung der Aufnahme des Buen Vivir in der Neuorientierung des Entwicklungsmodells des Verfassungsstaates. Für ihn und die anderen Theoretiker des Buen Vivir ist es wichtig, dieses Konzept von der abendländischen Idee des Wohlstandes abzuheben. Buen Vivir zielt nicht auf «mehr haben», auf Akkumulation und Wachstum, sondern auf einen Gleichgewichtszustand. Zentral ist also der Bezug auf die indigene Weltvorstellung: Nicht Fortschritt oder Wachstum als lineares Denkmodell sind der Ausgangspunkt, sondern die Produktion und Reproduktion eines Gleichgewichtszustandes des Sumak Kausay.

«Die Kategorie des Buen Vivir erscheint als eine Kategorie in der Lebensphilosophie der indigenen Gesellschaften, die aufgrund der Auswirkungen der Praktiken und Botschaften der okzidentalen Rationalität an Raum verloren hat. Dennoch leistet sie, ohne den Fehler einer falschen Idealisierung zu begehen, einen wichtigen Beitrag, indem sie dazu einlädt, andere Praktiken und Weisheiten anzunehmen.» (Acosta 2009, S. 219f).

Durch den Gedanken vom Guten Leben ist also ein neues Entwicklungskonzept in der Verfassung festgeschrieben.

«Nach der Philosophie des Buen Vivir ist es notwendig, traditionelle Entwicklungskonzepte zu hinterfragen. Aus dieser Perspektive sollte man die gefeierte "nachhaltige Entwicklung" als Etappe des Übergangs hin zu einem neuen Paradigma akzeptieren, das Dimensionen der Gleichheit, Freiheit und Gleichberechtigung soweit der Nachhaltigkeit (...) mit einschließt.» (ebd.)

Buen Vivir stellt einen mehrfachen Bruch mit herkömmlichen Konzepten dar, denn ⇒ es beruft sich auf indigene Kosmosvisionen und Traditionen; ⇒ es bricht mit traditionellen Entwicklungskonzepten; ⇒ es stellt die Beziehung zur Natur in den Mittelpunkt.

Ein Blick auf die anderen Verfassungsprozesse in Südamerika und besonders auch Venezuela zeigt die Besonderheit des ecuadorianischen und bolivianischen Weges. Sie sind ein Versuch, einen neuen Weg auch und gerade jenseits traditioneller, linker Anschauungen zu entwickeln. Stärkung sozialer Rechte plus Wachstum ist die traditionelle linke Priorität in Lateinamerika. Dieser Weg einigt Brasilien und Venezuela – auch wenn die Ausprägungen ganz verschieden sind. Gegenüber diesen klassischen Entwicklungsmodellen und traditionellen linken Diskursen stellt das Buen Vivir eine wirkliche konzeptionelle Innovation dar. Es kann daher nicht überraschen, dass gerade auch linke Kräfte, die Acosta als «autistische Linke» bezeichnete, dem Buen Vivir als Verfassungsprinzip kritisch gegenüberstanden.




Dieser Text ist Teil des Essays "Buen Vivir - Eine kurze Einführung in Lateinamerikas neue Konzepte zum guten Leben und zu den Rechten der Natur" von Thomas Fatheuer, herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung. Er kann hier veröffentlicht werden, weil er unter der Creative Commons Lizenz BY-NC-ND 3.0 steht und damit unter jenen Bedingungen gemeinfrei ist, auf die weiter unten hingewiesen wird. Weder der Autor des Textes, die Autoren dieses Vorwortes noch die herausgebende Institution stehen in irgendeiner Verbindung zum Rabenclan e.V. Sie dürfen das Werk vervielfältigen, verbreiten und öffentlich zugänglich machen unter den hier verlinkten Bedingungen.


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