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Ruediger Suenner Dalai Lama 1
28.04.2017, 09:55

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"Der Schatten des Dalai Lama"
Zur Buddhismuskritik von Victor und Victoria Trimondi
von Rüdiger Sünner
Kaum ein Buch provozierte in den letzten Jahren eine so erregte Kontroverse in Deutschland wie "Der Schatten des Dalai Lama" (1999) von Victor und Victoria Trimondi. Nachdem ich mich bereits auf der umfangreichen Webseite des Autorenpaares dazu geäussert hatte (www.trimondi.de), möchte ich angesichts des aktuellen ATALANTE-Themas noch einmal differenzierter darauf eingehen. Denn auch wenn dem Buch manche Mängel vorgeworfen wurden (Vermischung seriöser mit unklaren Quellen, Sinnverkürzungen, Zitatcollagen, Unkenntnis der tibetischen Sprache bzw. des Sanskrit etc.) enthält es genug Material, um mindestens eine Hauptthese zu untermauern: Der nach Esoterik hungrige Westen habe bisher den tibetischen Buddhismus eher verklärt und idealisiert, als kritisch hinterfragt. Die Anhänger des Dalai Lama und seiner Lehre müssten sich die Frage gefallen lassen, ob sie nicht mit der Adaption dieses Glaubenssystems wieder ein vorrationales okkult-magisches Weltbild einführten, in dem weniger selbstbestimmte Individuen als transzendente Mächte bzw. ihre Sprachrohre, die tibetischen Lamas herrschten: "Das Abendland hat mit der Aufklärung seine alten 'Götter' und Mythen gestürzt, jetzt holt es sie durch die unkritische Übernahme exotischer Religionssysteme wieder ins Land." (327)

Eine solche These stiess natürlich auf erbitterten Widerstand, hatten sich doch in den letzten Jahren Hunderttausende den Dalai Lama und seine "friedfertige" Religion zur neuen spirituellen Orientierung, ja zum Objekt grenzenloser Verehrung auserkoren. Viele glauben heute, dass der Buddhismus gegenüber dem langsam verfallenden Christentum eine echte Glaubensalternative darstelle, die dem in Materialismus gefangenen Europäer und Amerikaner neue Wege zu geistig-seelischem Heil weisen könne. Die Lektüre des Trimondi-Buches zeigt aber zumindest, das unzählige Facetten dieser Religion im Westen völlig unbekannt sind, ja dass sie Untiefen enthält, die auch in gänzlich andere Bereiche als "Frieden", "Mitgefühl" oder "Toleranz" weisen.

Auch wenn ich nicht mit allen Thesen des Buches einverstanden bin, so teile ich doch seine Meinung, dass umfangreiches und differenziertes Wissen zur Beschäftigung mit den Mythen und Religionen dieser Welt dazugehört. Nicht zuletzt habe ich aus einem solchen Ansinnen heraus dieses Online-Magazin gegründet. Wir wollen daher im folgenden einige Kernpunkte der Streitschrift diskutieren und zum Schluss fragen, ob und inwieweit der tibetische Buddhismus wirklich eine spirituelle Alternative für den Westen darstellt.

Frauenbild im tibetischen Buddhismus

Ein zentraler Vorwurf der Trimondis an den tibetischen Buddhismus ist, dass er in seinen Geheimlehren ein Bild der Frau pflege, durch das diese oft zum Symbol des Inferioren, Verführerischen und Dämonischen degradiert werde. Dies könne man nicht nur an negativ besetzten Sprachwendungen (1) ablesen, sondern bereits am tibetischen Ursprungsmythos selbst. Dieser berichte von der Verführung eines Buddhawesens in Affengestalt durch eine von "Geilheit aufgestachelte" Dämonin namens Srinmo, der der meditierende Buddha zunächst 7 Tage lang widerstehen konnte. Erst als sie ihm drohte, mit anderen Dämonen monströse Jungtiere zu zeugen, die Tod und Verderben über die Welt brächten, schlief er "aus Mitleid" mit ihr.

Eine andere Legende fügt hinzu, dass Srinmo, weil sie gegen die Einführung des Buddhismus in Tibet protestiert habe, auf den Rücken geworfen und mit 13 Ritualdolchen ("Nägel der Unbeweglichkeit") gepfählt worden sei. Die Abbildung links zeigt diesen Vorgang, wobei die jeweiligen Einschnittstellen auch die Hauptgründungsklöster Tibets markieren, mit dem Potala von Lhasa als Zentrum in der Mitte. Unter seinen Kellern, so die Sage, befinde sich ein riesiger Blutsee, aus dem dann und wann noch der leise Herzschlag der gepfählten Dämonin nach oben dringe.

Selbst wenn andere Mythen und Religionen auch nicht mit archaisch-drastischen Bildern geizen, so strömt dieses doch eine besonders makabre Kraft aus: Die Gründung Tibets wird im Zusammenhang mit der Herzdurchbohrung einer weiblichen Gottheit gesehen, die wohl Erdkräfte, Verführung, Wildnis, Animalisches und schweifend Sinnliches symbolisiert. Gleichwohl wird sie am Leben gelassen, um - gezähmt - ihre Energien doch irgendwie für eine männliche Priesterkaste nutzen zu können. Spricht sich hierin die gleiche Angst vor dem Weiblichen aus wie in buddhistischen Meditationsanweisungen für Mönche, die sich den langsam verwesenden Leib einer schönen Frau vorstellen sollen, um Einsicht in die unabwendbare Vergänglichkeit aller Dinge zu erhalten?

Trotz diesen herabwürdigenden Vorstellungen ist das Weibliche in den sexualmagischen Ritualen des tibetischen Buddhismus dennoch von grosser Wichtigkeit: Der Einzuweihende muss - real oder in der Einbildung - Geschlechtsverkehr mit einer "Mudra" (Gespielin) begehen, um sich deren begehrtes Vaginalsekret einzuverleiben, worauf er androgyn wird bzw. die "bisexuelle Gottheit im eigenen Körper" realisiert. Dieser Vorgang wird - laut dem Geheimtext des Kalachakra-Tantras - auch mit Minderjährigen vollzogen, wobei zuweilen der "Genuss" von deren Urin, Kot und Menstruationsblut quasi als anfachendes Moment noch der sexuell-spirituellen Steigerung dient. Auch wenn der Dalai Lama dies persönlich nicht (mehr) praktiziere - so die Trimondis - besässe er doch detaillierte Kenntnisse dieser Rituale und Techniken. Auf der "Mind and Life"-Konferenz in Dharamsala (1999) habe er sogar die anrüchige Vajroli-Methode erwähnt, mit der der Yogi übe, Wasser und Milch durch die Harnröhre nach oben zu ziehen. Derart trainiert, könne er dann beim Sexualverkehr den Samen anhalten bzw. das vaginale Sekret seiner Partnerin zu sich hinaufziehen, um es mit seinem Sperma zu einem göttlichen Extrakt zu vermischen (Schatten des Dali Lama, 349f).

Die jungen Gespielinnen - so erklärte das geistliche Oberhaupt der Tibeter noch zusätzlich - würden in der tantrischen Literatur u.a. nach der Form ihrer Genitalien klassifiziert: So gebe es die "Lotos-artige", die "Reh-artige", die "Muschel-artige" oder die "Elefanten-artige". (350) Auch wenn diese Mädchen in Tibet vielleicht hoch angesehen werden und ihre gelegentliche Minderjährigkeit mit einem anderen Heiratsalter zu tun haben mag, so hat man es hier doch nicht mit einer Partnerschaft zu tun, sondern mit dem Gebrauch eines Objektes, das nach seinem Funktionieren wieder entlassen wird. Dass solche Praktiken auf jeden Fall bei westlichen Frauen traumatische Spuren hinterlassen können, erfuhr die bereits erwähnte schottische Religionswissenschaftlerin June Campbell, die einige Jahre lang "Mudra" des hochangesehenen Lamas Kalu Rinpoche war.

"Meine Einwilligung, in eine geheime sexuelle Beziehung einzutreten", schrieb sie darüber, "basierte vor allem auf der Verpflichtung zu Hingabe und Gehorsam, die für alle, die in der nächsten Umgebung des Lamas lebten, von zentraler Bedeutung ist. Ausserdem machte die Forderung, den Lama als göttlich anzusehen, es mir praktisch unmöglich, sein Urteilsvermögen bezüglich aller Fragen, die meine eigene spirituelle Entwicklung betrafen, anzuzweifeln." (Göttinnen, Dakinis und ganz normale Frauen, 165)

June Campbell glaubte anfangs, dass eine geheime Beziehung eine Erweiterung der religiösen Praxis sein könne und in den Bereich der geheimen tantrischen Praktiken fallen müsse. "Tatsächlich jedoch lief das, was geschah, den ursprünglich eindeutig egalitären tantrischen Vorstellungen völlig zuwider, da ich mit Forderungen konfrontiert wurde, in denen weder Achtung meinem Körper und meiner Person gegenüber zum Ausdruck kam, noch Rücksicht auf meine Gefühle genommen wurde ... irgendwann sah ich mich dann nicht mehr in der Lage, weiterhin eine Beziehung zu einer angesehenen Autoritätsperson aufrechtzuerhalten, die ständig meine Persönlichkeitsgrenzen verletzte und von mir bedingungslose Unterwerfung erwartete." (ebd. 166)

Da von June Campbell absolutes Stillschweigen über ihre Tätigkeit verlangt wurde, war es ihr zunächst nicht möglich, aus diesem Bannkreis auszubrechen, zumal sie mit Horrorgeschichten über das Schicksal von Mudras, die geplaudert hatten, eingeschüchtert wurde: "Menschen, die nie eine Tradition wie die tibetische von innen kennengelernt haben, mögen solche Ängste für völlig überzogen halten, doch in geschlossenen Gruppen dieser Art kann schnell eine autoritäre 'Kultur der Insider' die Herrschaft übernehmen." (167)

Ihr Schicksal war kein Einzelfall: Auch andere Lamas missbrauchten das Vertrauen ihrer Schülerinnen, so dass sich selbst der Dalai Lama damit beschäftigte und genaue Untersuchungen anregte. Selbst wenn man die Vergehen einzelnen fehlbaren Individuen anlastet, so spiegeln sie doch auch die unheilvolle "Allianz von Religion, Sexualität, Macht und Geheimhaltung", wie sie für das lamaistische Mönchswesen typisch ist. Diese Männer, die - so Campbell - früh ihren Müttern weggenommen wurden und nie eine Möglichkeit hatten, sich selbst als gewöhnliche Menschen zu erleben und eigene Identität (d.h. auch psychische Unabhängigkeit von der Mutter) zu entwickeln, wissen kaum etwas über zwischengeschlechtliche Beziehungen, aber gelten dennoch als grosse und "reine" Heilige. Besonders absurd und schmerzhaft wird es, wenn sie zwar nach aussen hin zölibatär auftreten, aber sich dennoch heimlich "gefügige" Frauen für ihre spirituellen Praktiken halten. June Campbell glaubt letztlich nicht an eine baldige Reformierung dieser jahrhundertelangen Traditionen, weil die gesamte Philosophie und Ikonographie des tibetischen Buddhismus fest darauf gegründet sei.


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Fußnoten 1) Die bei den Trimondis häufig zitierte intime Kennerin des tibetischen Buddhismus, June Campbell, weist daraufhin, dass in dieser Glaubenslehre eine Sprache fehlt, die geschlechtliche Differenz anerkennt und würdigt. Eher herrsche eine Terminologie sexistischer Polarisierung vor, die schon in der Frauenverachtung des historischen Buddha angelegt sei. So fallen Campbell in den heiligen Texten z.B. folgende Synonyme für "Frau" oder "Weiblichkeit" auf: "die mit Beschränkungen behaftet ist, "die fesselt", "die ohne Samen (Stärke) ist", "die man nachts nicht aus dem Haus lassen kann", "Unruhestifterin", "primäre Ursache des Leidens", "zuerst lächelnde Göttin ... dann Dämonin mit Leichenaugen ... am Ende zahnlose alte Kuh", "heilige Zutat des Tantra" etc. (June Campbell: Göttinnen, Dakinis und ganz normale Frauen, Berlin 1997, 69f)



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