Hrafndaelar Saga - ein Experiment
Dieser Text wurde Teilnehmern und Zuschauern verlesen, unmittelbar bevor die Handlung in ihre Hände überging. Keiner der Teilnehmer hatte vorher Kenntnis vom Inhalt
1. Die Leute vom Rabental
Thorbjörn hieß ein Mann. In den Tagen des Königs Harald Schönhaar fuhr er mit seinem Schiff nach Island und kam dorthin, wo es im Rabental heißt. Bei ihm war seine Frau Aud, die Tochter des Jarl Gudmund. Thorbjörn baute sich einen Hof im Rabental, und alles gedieh ihm aufs Beste. Er hatte zwei Söhne, der erste hieß Thorsteinn, der zweite Thorgrim, und eine Tochter, die hieß Thordis.
Eyolf hieß ein Mann. Der kam nach Island mit seiner Frau Sigrun und seinen Söhnen Herjolf und Hjorleif. Thorbjörn schenkte ihnen Land im Rabental, sie wurden seine Thingleute wie auch die Nachbarn ringsumher. Darum begannen die Leute, den Thorbjörn den Rabental-Goden zu nennen.
Ein Mann hieß der Holmgang-Arnkell, der lebte nahe beim Rabental, wo es am Rabenstein heißt. Der Holmgang-Arnkell war ein großer Wiking gewesen, er war alt und blind, aber er galt immer noch als sehr gefährlicher Mann. Bei ihm lebte der Krähen-Ketil, von dem die Leute sagten, dass es bei ihm nicht mit rechten Dingen zuging. Der Holmgang-Arnkell hatte einen Sohn, der hieß Arngrim.
Thorbjörn der Rabental-Gode hatte zwei Knechte, die hießen Alf und Ulf. Sie hielten sich viel zugute dafür, dass sie bei einem so mächtigen Mann im Dienst waren, aber die Leute sagten, die beiden taugten selbst nicht viel. Sie waren die größten Klatschmäuler im ganzen Bezirk. Zum Rabenstein gingen sie nie, denn der Holmgang-Arnkell hatte ihnen gelobt, er würde sie totschlagen, wenn er sie auf seinem Land anträfe. Alf und Ulf beklagten sich darüber bei Thorbjörn, doch der sagte ihnen, wenn sie schon nicht so klug seien, so einen wie den Arnkell nicht zu reizen, dann sollten sie sich doch wenigstens nicht erschlagen lassen, denn für sie beide könne er vom Arnkell nicht viel Buße verlangen. Der Knecht Alf hatte eine Frau, die hieß Solveig. Sie hatten eine Tochter, die Thorunn hieß.
Hersteinn hieß ein Mann, der war ein Pächter des Thorbjörn. Seine Frau hieß Rannveig, seine Tochter hieß Vigdis.
Eines Tages sprach Herjolf, der Sohn des Eyolf, zu seinem Bruder Hjorleif: "Der Hof ist zu klein für uns beide. Ich will nicht, dass es zwischen uns zum Streit kommt. Deshalb will ich ausfahren und auf mein Glück vertrauen, du aber sollst dereinst den ganzen Hof für dich haben." Hjorleif sagte: "Wenn es dir so gut erscheint, so soll es so sein. Ich habe schon gemerkt, dass es dir wenig gefällt, hier zu wirtschaften. Ich aber bin mit allem zufrieden, wie es ist." Herjolf fuhr aus und kam bis Miklagard, er kämpfte dort für den Griechenkönig und gewann viel Ruhm und Ansehen.
Thorsteinn, der Sohn des Rabentalgoden, und Hjorleif wurden gute Freunde. Thorgrim dagegen sagte, er hätte mit dem Sohn eines Bonden wenig zu reden.
Thorbjörn fand, dass sein alter Hof zu einem Mann wie ihm nicht länger passte. Er riss die Häuser nieder und baute an der selben Stelle einen neuen Hof, von dem auch die Leute in den Nachbarbezirken viel zu reden hatten. Thorbjörn lud die Nachbarn ringsumher zum Julfest ein, wie es Brauch war, doch in diesem Jahr bat er auch den Holmgang-Arnkell und seine Leute zu sich. "Wir wollen hier alle gute Freunde sein im Rabental und auf dem Rabenstein", sagte er. Als der Herbst zu Ende ging, kam auch Herjolf, der Sohn des Eyolf, wieder von seiner Auslandsfahrt nach Island heim. Er ging in bunten Kleidern und sprach wie einer, der viel gesehen hat.
Als die Tage des Julfests herannahten, ritten alle zu Thorbjörns neuem Hof. Thorbjörn begrüßte sie freundlich. Er hatte nach der berühmten Seherin Hjordis gesandt, dass sie ihm und den Seinen weissage, denn Thorbjörn vertraute so sehr auf sein Glück, dass er dachte, es müsse ihm immer alles gut ausgehen.
(Hans Schuhmacher)
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