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28.04.2017, 09:55

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Wahrheit sagen

Ein Kommentar des Ariosophie-Projekts zur Diskussion um die Äußerungen von Uwe-Karsten Heye

"Der frühere Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye hat dunkelhäutige WM-Touristen vor Besuchen bestimmter Orte in Berlin und Brandenburg gewarnt. Da sei es mitunter lebensgefährlich. Nun zieht er seine Bemerkung zurück. Schade eigentlich." (Claus Christian Malzahn in "spiegel online")

"Heye hatte recht.", schreibt Malzahn. "In vielen Landstrichen Ostdeutschlands, bei weitem nicht nur Brandenburgs, herrscht für Ausländer - präziser gesagt: für Menschen mit dunkler oder dunklerer Hautfarbe - Ausnahmezustand. In Rheinsberg, einem idyllischen Ausflugsort im Norden Brandenburgs, dem Kurt Tucholsky ein poetisches Denkmal gesetzt hat, geht es zum Beispiel leider gar nicht mehr romantisch zu. Für Tucholsky war das Städtchen die Kulisse einer Love-Story. Heute werden vor den blankgeputzten Fassaden der Bürgerhäuser Imbisse abgefackelt, die von Nicht-Deutschen betrieben werden; allein 31 rechtsradikal motivierte Straftaten zählte man in dem 12.000-Einwohner-Städtchen im vergangenen Jahr. Das rassistische Grundgemurmel von Rheinsberg, das sich nicht selten gewalttätig entlädt, ist in Ostdeutschland aber nicht die Ausnahme, sondern vielerorts die Regel."

Auch Malzahn hat zweifellos recht, insbesondere bezüglich seiner Beobachtung, dass es sich bei rassistischen Gewaltakten um Entladungen eines "rassistischen Grundgemurmels" handelt.

Nicht Heyes umstrittene und von ihm selbst relativierte Äußerungen sind der Skandal. Auch die Gewalt, also die Entladungen, sind nicht der eigentliche Skandal - eine solche Sichtweise würde Kontext und Ursachen verschleiern und auf die zynische These hinauslaufen, Rassismus sei nur dann zu verurteilen, wenn er durch seine gewalttätigen Manifestationen missliebige Aufmerksamkeit weckt. Der eigentliche Skandal besteht aus zwei komplementären Hälften, deren eine das "rassistische Grundgemurmel", deren andere dessen Verschleierung ist. Komplementär sind diese Hälften, weil das Verschleiern und Totschweigen der Expansion von Rassismus Vorschub leistet, während diese Expansion immer größere Felder mit rassistischen Inhalten sowie Duldungszonen um sie herum schafft, die ihrerseits immer umfassendere Verschleierungsmaßnahmen hervorrufen - ein circulus vitiosus.

Man muss die Wahrheit sagen. Die Wahrheit ist: Es gibt Rassismus in Deutschland. Er breitet sich aus und manifestiert sich in Gewaltakten. Man muss ihn bekämpfen, denn von selbst wird er nicht verschwinden.

Um den expansiven Charakter des Rassismus zu verstehen, muss man zuerst einsehen, dass er kein Sammelsurium von diffusen Feindseligkeiten ist, sondern eine Weltsicht, die auf klar beschreibbaren Menschen- , Natur- und Gesellschaftsbildern beruht. Es gibt spezifisch rassistische Sichtweisen der Geschichte, des Sozialen, des menschlichen Lebens und des Lebens überhaupt. All diese Komponenten formen gemeinsam ein Bündel nahezu parallel verlaufender Tunnelblicke auf die Realität - wohlverstanden: Auf die Realität, nicht nur auf "Ausländer".

Malzahns "rassistisches Grundgemurmel" ist der permanente Diskurs der Expansion rassistischer Weltsichten. Man kommt um die Leitfragen des Ariosophie-Projekts nicht herum: Wie werden Menschen zu Rassisten gemacht? Was verleitet Menschen dazu, Rassismus zu dulden, zu tolerieren und dadurch zu fördern, die selbst (noch) keine Rassisten sind? Die zweite Frage ist so wichtig wie die erste, denn ohne die weichen Pufferzonen der Toleranz hätte der Rassismus keinen Raum, in den hinein er expandieren kann. Bei seiner Expansion schiebt der Rassismus diese Schutzzonen vor sich her, er verschanzt sich hinter ihnen und nutzt sie als Tarnkappe, um als Teil der Normalität zu erscheinen. Denn das Ziel des Rassismus ist es, zur Normalität zu werden. Teilweise ist er das bereits - und das ist der Skandal.

"Nun kann man einwenden, dass es auch im Westen Hate-Crimes gibt. Und es gibt im Westen auch Nazis; die Republikaner wurden noch in der alten BRD gegründet und feierten in West-Berlin ihre ersten Erfolge. Das ist richtig. Aber im Osten Deutschlands leben wesentlich weniger Ausländer als im Westen, gleichzeitig gibt es - umgerechnet auf die Bevölkerungszahl - dort wesentlich mehr rassistisch motivierte Gewalttaten. Zu den unangenehmen Wahrheiten über das neue Deutschland gehört eben nicht nur die Landflucht von Ost nach West, auch nicht das Tarifgefälle oder die materielle Schere, die sich zwischen alten und neuen Ländern nicht schließen will. Das größte Problem ist der ganz gewöhnliche Rassismus, der Ausländern in der Ex-DDR entgegenschlägt. Spätestens seit den Pogromen von Hoyerswerda (1991) und Rostock Lichtenhagen (1992) aber ist klar, dass diese mitunter regelrecht terroristische Gewalt gegen Nicht-Deutsche (oder die man dafür hält) nicht nur vom rechtsradikalen gesellschaftlichen Rand stammt. Der braune Mist stinkt im Osten oft in der gesellschaftlichen Mitte. Das macht die Sache so gefährlich. Es ist eben auch kein Zufall, dass die NPD in Sachsen der Sprung ins Parlament gelang - dort sind die Rechtsextremen heute fast so stark wie die Sozialdemokraten." So Malzahn.

Grundsätzlich muss man unterscheiden zwischen der Manifestation, also dem offenen Zutagetreten des Rassismus, und seinem Fundament, dem "Grundgemurmel" des rassistischen Diskurses. Der Schwerpunkt der Manifestationen muss nicht der Schwerpunkt des Fundaments sein. Auch Malzahn weist die populistische These vom Rassismus als ostdeutschem Problem, das aus der Geschichte der DDR resultiert, zurück:

"Doch es reicht nicht, den rassistischen Mob im Osten immer nur mit historischen Verweisen auf eine untergegangene Diktatur zu erklären. Seit der Wende sind 16 Jahre ins Land gegangen, manche Skinheads und Neo-Nazis, die Schwarze verprügeln oder vietnamesische Imbissbuden anzünden, sind jünger als das neue Deutschland. Das bedeutet auch: 16 Jahre wurde in der Bundesrepublik viel zu wenig getan, um des Problems Herr zu werden. Das Ergebnis: In manchen Gegenden Ostdeutschlands verfügen Nazis über das, was der marxistische Philosoph Antonio Gramsci einmal kulturelle Hegemonie genannt hat. Das ist ein permanenter Skandal, und er hat mehr mit der politisch-korrekten Feigheit und der Blindheit der Bundesrepublik als mit der DDR zu tun."

Der letzte Satz ist der wichtigste. Der These vom Rassismus als ostdeutschem Problem kann eine andere These entgegengestellt werden. Nämlich: Die BRD hatte jahrzehntelang Zeit und Gelegenheit, einen Alltagsrassismus als Teil ihrer Kultur zu entwickeln, der sich nur selten in missliebig-auffälliger Gestalt manifestierte und der komplementär zum Ex-Sanguis-Nationalismus existierte, den noch Helmut Kohl während seiner gesamten Amtszeit eisern verfocht. Alltags- oder interaktiver Rassismus ist im Wesentlichen stumm und manifestiert in "zivilisierter" Form: Ungleichbehandlung, Ausgrenzung, Generalverdacht, Kolportation von Klischees und Vorurteilen, Witze, Meidung und so fort. Es ist diese Form von Rassismus, die am ehesten Aussicht hat, Bestandteil der Normalität zu werden. Es ist diese Form von Rassismus, die diesbezüglich am erfolgreichsten ist. Und einen solchen "zivilisierten" Rassismus gegenüber "Gastarbeitern" und "Ausländern" hatte die DDR nicht. Daher das unzivilisierte Erscheinungsbild des Rassismus im Osten: ein Symptom seines abrupten Umsichgreifens in einer Kultur, in der er nicht größtenteils domestiziert ist wie im Westen.

Nicht Rassismus produziert Aufschreie und Empörung in der Gesamtöffentlichkeit - auffälliger Rassismus tut das. Der domestizierte und unauffällige Rassismus ist aber der gefährlichere, denn er bildet die sich stets verbreiternde Basis, deren chaotische Manifestationen die Gewaltakte sind.

Die Gesamtentwicklung der letzten Jahrzehnte charakterisiert Heike Kleffner auf der jüdischen website "HaGalil" so:

"Doch es gibt heute einige markante Unterschiede zu den Anfangsjahren des militanten Neonazismus. Zum einen in der Reaktion auf die Angriffe: Damals gingen Hunderttausende in Ost und West auf die Straße, um gegen rechten Terror, aber auch gegen Ausgrenzungsrhetorik zu demonstrieren. Zudem glaubten viele, die rechte Gewalt sei eine Folge von Wende- und Abstiegsängsten, würde sich bald erledigen und sei bis dahin am besten mit staatlicher Repression zu beantworten.

Mit diesem einfachen Erklärungsmuster verlor man zwischen 1990 und 2000 zehn entscheidende Jahre: Zeit genug für die extreme Rechte, Organisationsverbote durch alltagskulturelle Durchdringung zu unterlaufen und Erlebniswelten zu schaffen, die auf Jugendliche und junge Erwachsenen nicht nur in den ländlichen Regionen des Ostens eine erhebliche Anziehungskraft ausüben - aber auch Anpassungsdruck auf alle, die nicht rechts sein wollen, auszuüben. Das Ergebnis ist eine modernisierte Rechte, die vielerorts selbstbewusst kulturelle Hegemonie ausübt und jeden öffentlichen Raum besetzt, der ihr von desinteressierten, ignoranten oder überforderten Kommunalpolitikern und der Zivilgesellschaft überlassen wird.

Es gibt aber noch einen Unterschied zu den frühen Neunzigerjahren: Heute leben in den meisten neuen Bundesländern weniger Menschen nichtdeutscher Herkunft als noch vor zehn Jahren. Hier existiert noch nicht einmal eine Ahnung von der "blauäugigen Multikulti-Gesellschaft", die Edmund Stoiber so beklagt. Die meisten rassistischen Gewalttaten finden hier in aller Öffentlichkeit, an Haltestellen und in Bussen und Bahnen statt. Auch die Zahl der rassistisch motivierten Brandanschläge auf vietnamesische Imbisse und Dönerläden ist in den letzten Jahren erheblich angestiegen.

Doch anders als in den frühen Neunzigerjahren können sich die potenziellen Opfer nicht mehr der uneingeschränkten Solidarität aus linken, liberalen und bürgerlichen Kreisen sicher sein. Die enttäuschte Abkehr auch der rot-grünen Klientel vom "naiven Multikulturalismus" und der alles dominierende Sicherheitsdiskurs nach den Anschlägen des 11. September 2001 haben die potenziellen Opfer rechter Gewalt allzu oft allein gelassen. Dabei wissen alle, dass die Opfer bewusst als Vertreter einer stigmatisierten Gruppe ausgesucht und angegriffen werden und jeder individuelle Angriff eine klare Drohbotschaft an die gesamte Gruppe sendet."

Wenn der derzeitige Bundesinnenminister Schäuble angesichts der Vorfälle an der Rütli-Schule in Berlin-Neukölln sinngemäß sagte, wer nicht leben wolle wie ein Deutscher, solle ausgewiesen werden, so war das die Spitze des Eisbergs der Ethnisierung eines primär sozialen Problems. Ethnisierung sozialer Probleme ist im Westen nicht nur salonfähig, es bringt Wählerstimmen. Aber Ethnisierung sozialer Probleme ist eine gegen Migrantinnen und Migranten geschwungene Keule - eine zivilisierte Keule.

Die derzeitige Diskussion um die Äußerungen von Uwe-Karsten Heye wirft die Frage auf, was die deutsche Gesellschaft eigentlich will. Soll der Osten vom Westen lernen, zivilisierte statt unzivilisierte Keulen gegen Migrantinnen und Migranten zu benutzen? Sollen Heye und andere den Mund halten, bis diese Pädagogik gegriffen hat? Das wird nicht funktionieren, denn den Rechtsextremisten und Rechtsradikalen reicht das nicht, und es werden nicht alle Antirassisten den Mund halten.

Die einzige Möglichkeit, das Problem wirklich anzugehen, besteht darin, den Rassismus zu bekämpfen, und zwar in toto, nicht nur seine missliebigen Symptome. Man muss den derzeitigen gesamtdeutschen Rassismus untersuchen und dabei seine weichen Schutzzonen in die Betrachtung mit einbeziehen. Chauvinistischer Nationalismus darf ebenso wenig salonfähig bleiben wie rechtspopulistischer Stimmenfang seitens Politikern von etablierten Parteien. Man muss endlich aufhören, die auffälligen Manifestationen mit dem Problem selbst zu verwechseln oder gar absichtlich das eigentliche Problem zu vertuschen.

Das Schlimmste an der Beulenpest sind nicht die Beulen. Das Schlimmste am Rassismus sind nicht seine unzivilisierten Manifestationen. Schon gar nicht das Schlimmste ist ein Pestarzt, der die contenance verliert, wie das Heye unterlaufen ist. Zumal: Wer wegsieht, hat es leichter, die contenance zu wahren.

"Es ist ... höchste Zeit, Tacheles zu reden.", meint Malzahn. "Uwe Karsten Heye hat es kurz versucht und dann, wohl ebenfalls aus Gründen der politischen Korrektheit, wieder gekniffen. Immerhin: Was er gesagt hat, wird nicht falsch, nur weil er es wieder dementiert. Ich jedenfalls kenne niemanden, der guten Gewissens einen dunkelhäutigen Freund ermuntern würde, nachts bestimmte Stadtteile von Magdeburg, Halle oder Rostock zu besichtigen. Auch in Berlin gibt es längst No-go-Areas für Ausländer. Wir haben uns alle daran gewöhnt. Nun hat es mal jemand laut verkündet. Und alle sind erschrocken - auch der, der es aussprach."

Ich habe weiter oben darauf hingewiesen, dass dieses "daran-gewöhnen" ein Teil der Expansion des Rassismus ist. Ein weiterer Teil ist das Ablenken: Auf "die Ostdeutschen", wogegen sich diese völlig zurecht empört wehren, auf die Auffälligen und Randgruppenvertreter. Die Konstruktion solcher Sündenböcke leistet der Expansion des Rassismus Vorschub, statt ihn aufzuhalten - eine Erfahrung, die ich auf meinem eigenen Feld immer wieder gemacht habe. Beides, sowohl das "daran-gewöhnen" als auch das Ablenken, taucht in Heike Kleffners Text an entscheidender Stelle auf, zusammen mit einem anderen Phänomen: der Resignation und der Kurzatmigkeit der Gegner des Rassismus. Ich möchte noch einen weiteren Faktor erwähnen, nämlich die Kurzsichtigkeit und mangelnde Tiefenschärfe gewisser Renommier-Antirassisten, als es schick war, Antirassist zu sein.

Es hilft nichts, man muss Deutschland den Spiegel vorhalten. Zu allererst muss man die Wahrheit sagen. Es gibt Rassismus in Deutschland, und er breitet sich aus. Und dann muss man weiter die Wahrheit sagen, indem man rassistische und chauvinistische Menschen- und Weltbilder entlarvt, demontiert und ihnen andere Menschen- und Weltbilder entgegensetzt, und zwar offensiv. Das wird Scherben geben, nicht zuletzt da, wo das Areal der Rechtsextremisten in das der Konservativen übergeht. Die Alternative ist jedoch, gestikulierend zuzusehen, wie das Haus abbrennt. Und auch das ist eine Wahrheit, die gesagt werden muss.

Quellen: Malzahn: http://www.spiegel.de/politik/debatte/0,1518,416705,00.html
HaGalil: http://www.hagalil.com/archiv/2006/05/nazis.htm (ursprünglich: TAZ)

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