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Hans Schuhmacher Islamex 3
28.04.2017, 09:55

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Anmerkungen zum Thema Islam

7. Exkurs 3: der Islam und die Frauen

Allgemein gilt der Islam im christlichen Abendland als frauenfeindliche Religion. Wir haben uns damit im entsprechenden Kapitel auseinandergesetzt und dort auf diesen Exkurs verwiesen. Dieser ist nicht nur darum notwendig, weil der Vorwurf der immanenten Frauenfeindlichkeit gegen eine Religion ein äußerst schwerwiegender ist, sondern auch, weil die verschleierte Muslimin ganz offensichtlich zur Ikonographie der aktuellen Krise gehört. Während ich täglich mehrere Stunden an diesem Artikel arbeite, schreitet die Entwicklung der Krise voran, was permanent neue Medienmeldungen hervorbringt. Durch einen solchen permanenten "Nachrichten"- Prozess verfestigen sich Terminologie und Ikonographie zu einem spezifischen Zeichenkanon, der anfängt, Symbolcharakter zu gewinnen, zumal er natürlich auf Symbole zurückgreift, wie wir oben gesehen haben.

Freemailer im Internet finden es offenbar richtig, ihre Meldungen mit Bildern von bärtigen, Turbane oder Kopfbinden tragenden Männern zu garnieren (Bart-Turban-Schuld), also mit Fotographien realer Individuen, die mutmaßlich Muslime sind, deren Verbindung zu den Geschehnissen allerdings völlig unklar ist. Man fragt sich, wie es dem Leser oder der Leserin gefallen würde, ihr Portrait zusammen mit Meldungen über rassistische Morde in Deutschland beispielsweise in einer amerikanischen Zeitung vorzufinden. Abgesehen von diesem Tatbestand der Assoziation dieser lebenden Individuen mit Geschehnissen, mit denen sie aller Wahrscheinlichkeit nach überhaupt nichts zu tun haben, wird hier in verantwortungsloser Weise ein Bilderkanon geschaffen, der für hier lebende Muslime extrem gefährliche Folgen haben kann - mit denen die Darstellenden dann nachher freilich nichts zu tun haben wollen.

Gemeinsam mit den so dargestellten Männern tauchen vermehrt verschleierte Musliminnen auf, meist an die Seite der Männer montiert und ihre Blickrichtung teilend. Heute, am 1. Oktober, fand ich sogar ein Bild, das folgendermaßen aussah: von links, mit Blickrichtung nach rechts, war eine Überschrift flankiert von einen Portrait des US-Präsidenten, rechts blickten eben jene bärtigen Männer und verschleierten Frauen nach links, und zwar auf zwei hastig zusammengeklatschten Fotos. Bush blickt in die Leserichtung (also: richtig), die mutmaßlichen Muslime dagegen (also: falsch). Der Designer versteht etwas von Gestaltung. Er versteht nichts, absolut nichts, von Menschenwürde und Verantwortung.

Wir haben uns, wie gesagt, bereits oben damit auseinandergesetzt, was es mit dem Bild der verschleierten Muslimin in Zusammenhang mit der Feindseligkeit gegen den Islam auf sich hat. Hier geht es darum, das Verhältnis des Islam zu den Frauen kurz darzustellen.

Hören wir zuerst Miksch, dem wir in allen diesen Angelegenheiten ohne größere Bedenken folgen können, was für andere Bereiche leider nicht in demselben Maße gilt: "Eine...Lobpreisung der Monogamie aus Mohammeds Mund erscheint für alle jene überraschend, die von der immer wieder betriebenen antiislamischen Propaganda die Vorstellung suggeriert erhalten haben, Mohammed sei im Übermaß sexuell betriebsam gewesen, habe deshalb die Polygamie seiner Anhänger erlaubt und sich selbst noch mehr als die gestatteten vier Frauen zugelegt, nämlich zehn. Die Moslems weisen dies - nach Meinung des Verfassers völlig richtig - als üble Unterstellung zurück und verweisen darauf, dass die Polygamie in Arabien üblich war, die späteren Konflikte mit der heidnischen Welt das Problem der "Kriegerwitwen" mit sich brachten, das nicht in herkömmlicher Weise durch "Versorgung im Familienverband" gelöst werden konnte, da die Familien vielfach noch heidnisch waren und sich von den des Glaubens willen Emigrierten ausdrücklich losgesagt hatten und ein Frauenüberschuß auch für späterhin zu erwarten stand, da Mohammed den barbarischen Brauch, überzählige weibliche Nachkommenschaft durch Tochtermord...zu beseitigen, energisch untersagt hatte...Der Versorgungscharakter zeichnet denn auch die späteren Eheverbindungen des Propheten; da war

Diese Ehen waren Ehen aus sozialen oder - mit Maimuna - aus politischen Gründen; unmittelbarer menschlicher Emotion des Propheten entsprang die Ehe mit einer durch erfolgreiche Kriegführung in die Hände der Moslems gelangten Gefangenen, deren Schicksal ihn rührte und die er Dschuwairija, die Unglückliche, nannte; die Sklavin Maria wurde ihm von einem befreundeten Herrscher geschenkt; er konnte sie nicht zurückweisen und nahm sie zum Weibe; da sie Ägypterin war, erinnerte sie ihn an Hagar, und er nannte den von ihr geborenen Sohn Ibrahim. Auch dieser Sohn starb im Kindesalter; er ist übrigens das einzige Kind von allen zehn Frauen... Die Freude seines Alters war eindeutig Aischa, die Tochter seines Freundes und späteren Nachfolgers Abu Bekr..."(1). Diese ist, wie die bereits erwähnte Hafsa und Mohammeds Tochter Fatima, eine der wichtigsten Gestalten sowohl der dramatischen Konflikte nach Mohammeds Tod als auch der islamischen Geschichte überhaupt. Dass ihre Namen so oft bis zum heutigen Tage von Frauen getragen werden, hat seinen Grund, und diese Frauen waren keineswegs passive stabat mater - Figuren, im Gegenteil. Jeder Moslem weiß das, und wenn er seine Tochter Aischa nennt, dann denkt er wohl an eine Frau, die auf einem weißen Kamel in die Schlacht ritt, anstatt "huch" und "ach" rufend um ihren Helden zu bangen, wie es moderne Frauen der christlich-abendländischen Gesellschaft laut Hollywood anscheinend immer noch tun sollen.

Allein dieser aller erste Einblick lässt Zweifel am Klischee der islamischen Frauenunterdrückung aufkommen, zumal wir inzwischen wissen, wie äußerst wichtig das Entstehungsszenario für den Islam ist. Indessen verfügen wir über das hervorragende Material der Moslem Women´s League USA, deren thematischen Schwerpunkt wir hier selbstverständlich vor uns haben - was es uns auch ermöglichen wird, hin und wieder einen kurzen Blick auf die innerislamischen Streitigkeiten zu diesem Thema zu werfen.

Beginnen müssen wir aber mit einem kurzen Abstecher in die präislamische arabische Vergangenheit, denn das war der Kontext, in dem die islamische Haltung zur Frau entstand.

Zunächst muss auf zwei Dinge hingewiesen werden(2), nämlich erstens die Nichtuniformität arabischer Gesellschaften in präislamischer Zeit, zweitens auf die Schwierigkeiten bei der Erforschung dieser Gesellschaften - beides wird niemanden überraschen, der mit der Methodik der Altertumswissenschaften, der Geschichtswissenschaften sowie mit Grundaussagen der Ethnologie bzw. Kulturanthropologie vertraut ist. Auch eine Homogenität der Kulturen der "Städter" bzw. der "Beduinen", wie wir sie im Hauptexkurs vereinfachend genannt haben, kann man keineswegs voraussetzen. Die durchaus vorhandenen Verschiedenartigkeiten stellt, wie hier eingefügt werden sollte, das enorme Integrationsvermögen des Islam heraus.

Wir können hier nicht entscheiden, ob es sich bei den "Städtern" Nordarabiens noch um wirkliche Stämme handelte oder das enorm wichtige Sippenband, das wir im Hauptexkurs angesprochen haben, anders zu deuten ist - wir müssten nämlich hierfür das Gemeinwesen Mekka analysieren (wofür uns das Material fehlt, zumal die mekkanischen Verhältnisse nicht ohne weiteres auf andere Städte übertragbar wären), eine derartige Untersuchung kann aber hier nicht unsere Sache sein. Festzuhalten ist die erhebliche Bedeutung der Verwandtschaftsverbände bei den "Städtern" und die Tatsache, dass diese mit eindeutigen Stammesgesellschaften - den Nomaden - interagierten.

Die Nichtuniformität der Verhältnisse deutet natürlich auch auf sehr unterschiedlichen Status der Frau hin, je nach Gesellschaft. Einerseits referiert unsere Gewährsperson die offenbar berühmte Fukayha, die einen flüchtigen Mann in ihrem Zelt versteckte und mit dem Schwert verteidigte, den anscheinend üblichen Status von Frauen als Dichterinnen - der in schriftlosen Gesellschaften wenig mit Unterhaltung zu tun hat, sondern von enormer Wichtigkeit ist. Einige Stämme führten nach der Bezeichnung "banu" (Kinder von) einen weiblichen Namen, was auf matrilineale Verhältnisse hinweisen kann. Auf der anderen Seite sorgten allerdings die extrem harten ökologischen Bedingungen sowie andere Faktoren - wir haben als ein Beispiel die problematische Abhängigkeit der Nomaden an eine sesshafte Gruppe angesprochen - zu extrem häufigen und durch die Ökologie in ihrer Wirkung stark verschlimmerten gewaltsamen Auseinandersetzungen. Hieraus jetzt allerdings zu schlussfolgern, unter solchen Verhältnissen würden Frauen generell zu hilflosen Opfern, wäre erstens die Bejahung eines christlich-abendländischen Klischees und entspräche zweitens keineswegs dem Bild der zahlreichen wehrhaften Frauen, die wir in der islamischen (!) Zeit noch kennen lernen werden. Lediglich schwangere Frauen, Frauen mit Kleinkindern, heranwachsende Mädchen und alte Frauen befinden sich real in einem schweren Nachteil bei physischen Auseinandersetzungen, alles andere ist einerseits kulturelle Konditionierung und andererseits Sache der Ausbildung, wie jeder weiß, der sich mit der Materie beschäftigt hat. Der Faktor der Gewaltsamkeit spielt eine Rolle, sollte aber nicht überbewertet werden.

Die Sitte des Infantizids vor allem an Mädchen existierte definitiv im vorislamischen Arabien (aber nicht nur dort, auch z.B. bei den Hellenen war er durchaus üblich); der Koran wendet sich schärfstens gegen diesen (17. Sure) und gegen Ärger bei Geburt einer Tochter (43. Sure); auf den Charakter des Korans als oberste und unanfechtbare Autorität im islamischen Recht haben wir im Exkurs 2 hingewiesen. Unsere Gewährsperson führt zwei Gründe für den Infantizid an, nämlich erstens Angst vor Armut und mithin vor dem Verhungern der gesamten Sippe, zweitens vor Schande, denn die Tochter konnte entführt werden. Letzteres soll hier keineswegs verteidigt werden, es sei aber darauf hingewiesen, dass der Ruf einer Sippe oder eines Stammes für diesen absolut überlebenswichtig war, wir haben es hier also keineswegs mit einer reinen Ego-Reaktion zu tun. Mohammed löste das Problem, indem er das Eintreten der Gemeinschaft der Gläubigen für Verarmte vorschrieb (selbe Stelle der 17. Sure) und Entführungen und dergleichen innerhalb dieser strikt verbot. Er beseitigte die Ursachen, so gut er konnte.

Im präislamischen Arabien gab es mehrere Arten und Weisen, wie eine Ehe zustande kommen konnte, nämlich die folgenden:

Polygamie (wie auch Polyandrie) existierten, erstere durchaus auch bei Christen und Juden, es gab die Sitte des Frauentauschs und sogar jene Arrangements, die die arabische Poesie am liebsten besang: offiziell heimliche Verhältnisse zum Beispiel zwischen Angehörigen verfeindeter Stämme, über die aber im Grunde jeder bescheid wusste und die man duldete, solange die Form gewahrt wurde. Weiterhin gab es den Frauenverleih im Falle der Unfruchtbarkeit (woran man also keineswegs generell den Frauen die Schuld zuwies), das Konkubinat und Formen des experimentellen Zusammenlebens: man wollte sich vergewissern, ob die Ehe auch funktionieren würde. Generell galten die Beduinenfrauen als freizügiger und konnten heiraten oder sich scheiden lassen, wie es ihnen gefiel.

Der Islam beschränkte die Ehe auf jene durch Übereinkuft, aber mit einem wichtigen Unterschied: die Übereinkunft musste zwischen dem Mann und der Frau erzielt werden, nicht ihrer Sippe, und sie, nicht diese erhielt die Brautgabe.

In der präislamischen Ära hatten Frauen offenbar kein Erbrecht (was damit zusammenhing, dass sie nach wie vor als mit der Familie ihrer Eltern als verwandt galten), der Islam änderte das und führte Erbrecht sogar für Schwestern und Töchter ein - Mohammed sah sich hier Protest gegenüber, setzte sich aber durch.

Wir sehen zweierlei: erstens unterband der Islam gründlich die schlimmsten Gewaltsamkeiten und unterdrückerischsten Verhältnisse gegen Frauen, zweitens stärkte der Islam die Stellung des Individuums und schwächte die Macht der Stämme und Sippen: ein Strukturwandel, auch und gerade zugunsten der Frauen. Die Freiheit, die eine Omm Kharija genossen hatte, verschwand allerdings auch. Insgesamt wurde die persönliche Entscheidungsfreiheit der Frauen gerade durch den Strukturwandel gefördert, denn sie waren bei weitem weniger als zuvor dem Zwang und Druck des Sippensystems ausgesetzt und hatten weit weniger Grund, in ständiger Angst vor Gewalt zu leben. Weiterhin ist unbedingt zu berücksichtigen, dass wir hier Vorgänge im siebten Jahrhundert vor uns haben: im christlichen Abendland dauerte es nach Eintreten der Dominanz der Einheitskirche noch viel länger, bis Frauen überhaupt nennenswerte Rechte zugesprochen wurden, die sie sich obendrein hart erkämpfen mussten.

Es ist hier an der Zeit, auf einen fundamentalen Unterschied zwischen der religiösen Auffassung des Islam zur Frau und derjenigen des Christentums zu sprechen zu kommen. Die 4. Sure des Koran(3) erklärt, Allah habe die erste Frau und den ersten Mann aus einer lebenden Entität geschaffen, und erwähnt nicht einmal, wen von beiden zuerst. Die Mohammed zweifelsohne bekannte alttestamentarische Darstellung der primären Erschaffung des Mannes und die sekundäre Erschaffung der Frau aus seiner Rippe existiert nicht im Koran! Die Implikationen dieser Koranstelle können gar nicht überschätzt werden. Der sekundäre Charakter der Frau im Christentum - die jüdische Interpretation des gesamten im Christentum alttestamentarisch genannten Stoffes unterscheidet sich gravierend von der christlichen und gehört nicht hierher - war bekanntlich Ansatzpunkt der Erbsündetheorie, der Interpretation der Frau als Gefäß des Übels und insgesamt der christlich-abendländischen Misogynie und Frauenunterdrückung. Diese hatte zu Beginn des 7. Jahrhunderts insbesondere bei der Einheitskirche schon weit um sich gegriffen, wenn man auch bei den theologischen Errungenschaften eines "Hexenhammers" noch nicht angelangt war. Jahrhunderte zuvor hatte nicht nur der notorische Paulus, sondern beispielsweise auch der Kirchenvater Tertullian wenig Zweifel an seiner Haltung offengelassen: "Du bist es...die dem Teufel Eingang verschafft hat, du hast das Siegel jenes Baumes gebrochen, du hast zuerst das göttliche Gesetz im Stich gelassen, du bist es auch, die denjenigen betört hat, dem der Teufel nicht zu nahen vermochte. So leicht hast du den Mann, das Ebenbild Gottes, zu Boden geworfen. Wegen deiner Schuld...musste auch der Sohn Gottes sterben...(4)" Die Anklagekette Tertullians beruht auf zwei aufeinander aufbauenden Prämissen, erstens: der Mann ist das Ebenbild Gottes im Gegensatz zur Frau, zweitens: die Frau ist daher prinzipiell schlecht - das Ebenbild Gottes kann nicht prinzipiell schlecht sein. Selbst am Tode Jesu ist die Frau schuld. Dies ist keine Privatmeinung, sondern Lehrmeinung eines der wichtigsten Kirchenväter.

Im Islam indessen ist derartigem von vornherein ein Riegel vorgeschoben, denn Mann und Frau sind gleich erschaffen.

Dass dieser Unterschied ein absolut fundamentaler ist, versteht sich, denn die islamische wie die christliche Aussage sind Aussagen über die Natur des Menschen schlechthin. Aussagen über die Natur aber sind determinierend für das gesamte Kategoriensystem einer Kultur und/oder Religion, stehen in Wechselwirkung mit den Strukturen und kanalisieren das Denken.

Unsere Gewährsperson referiert(5) allerdings, dass heute im Islam allgemein die Auffassung herrscht, Adam sei der zuerst Erschaffene gewesen - was einiges bezüglich der heutigen Verhältnisse in Teilen der islamischen Welt erklärt - und führt dies auf den Glauben zum Islam Übergetretener zurück, die diese Überzeugung mitbrachten. Wir haben im Hauptexkurs gesehen, dass dies ohne weiteres geschehen konnte, sehen uns weiterhin bezüglich unserer Thesen, Wechselwirkungen mit dem Christentum betreffend, bestätigt und stellen außerdem fest, dass eine "Gesinnungskontrolle" bei den Übergetretenen wohl kaum stattgefunden haben kann - ein solch fundamentales Abweichen von einer Koranaussage wäre sonst nämlich entdeckt und korrigiert worden.

Weiter erfahren wir, dass zwar die Geschichte vom Sündenfall im Koran zu finden ist, aber Adam und Eva gleichermaßen verantwortlich gemacht werden, ferner argumentiert unsere Gewährsfrau scharfsinnig folgendermaßen: da am Tag des Gerichts jeder Mensch gleichermaßen Rechenschaft ablegen muss über sein Tun, muss es so sein, dass Frauen genau dieselbe Selbstverantwortung zugesprochen wird wie Männern, denn nur, wer freie Entscheidungen treffen kann und darf, kann sich vergehen. An dieser Argumentation hängt sie ihre Kritik an gesellschaftlichen Einschränkungen gegenüber Frauen in islamischen Staaten auf, was vollkommen folgerichtig ist. Mehr noch: in der 33. Sure wird ganz klar definiert, dass von Männern und Frauen dasselbe tugendhafte Verhalten erwartet wird. Damit man sich aber tugendhaft verhalten kann, muss man die Freiheit der Wahl haben. Der Islam besteht ausdrücklich auf rechtem Tun und gibt sich nicht mit rechtem Glauben allein zufrieden.

Generell betonen alle Artikel der MWL immer wieder diesen koranischen Gleichheitsgrundsatz, diesen in alle Aspekte hinein zu verfolgen sprengt unseren Rahmen.

Selbstverständlich kommen Schleier oder Kopftuch zur Sprache6: in der 24. und der 33. Sure finden sich diejenigen Koranstellen, auf die diese Sitte sich bezieht. Unsere Gewährsperson informiert uns darüber, dass sich das Gebot ursprünglich darauf bezog, sich nicht barbrüstig zu zeigen, was im präislamischen Arabien offenbar für Frauen üblich war. Von einer Bedeckung des Haares ist eigentlich nicht die Rede. Worum es geht, ist laut unserer Gewährsperson ein keusches und streng sittliches Verhalten der Geschlechter untereinander, und zwar beider Geschlechter gleichermaßen. Von einer sozialen Trennung der Geschlechter ist, so wiederum unsere Gewährsperson, keinerlei Rede.

Wir interpretieren: die ersten Muslime kamen aus Gesellschaften, in denen die oben angeführten präislamischen Gewaltsamkeiten gang und gäbe waren, ferner kamen Mitglieder von Gesellschaften sehr unterschiedlicher Auffassung und Praxis zusammen. Es bedarf keines Höhenflugs der Vorstellungskraft, um zu sehen, was zwangsläufig passieren musste, wenn zum Beispiel freizügige Beduinenfrauen plötzlich zur selben Gemeinschaft gehörten wie Männer aus Gesellschaften, bei denen Frauenraub gang und gäbe war - zumal die allermeisten ersten Muslime ihre Sippenbindungen freiwillig oder unter Druck aufgegeben hatten. Mohammed musste sofort einen Standard einführen, und da er ganz offensichtlich Männer und Frauen gleich behandeln wollte, musste dieser für alle gleichermaßen gelten. Gleichzeitig wollte er offensichtlich allen so viel individuelle Freiheit lassen wie möglich. Wie wir es inzwischen von ihm gewohnt sind, schaffte er es, was durch das reibungslose Funktionieren seiner Problemlösung hinlänglich bewiesen ist. Der Islam wäre ansonsten sehr schnell untergegangen.

Was uns noch zu tun bleibt, ist, die islamische Praxis der Frühzeit auf unser Thema hin zu betrachten. Wie sah diese Gleichheit aus? Auch hier verfügen wir über einen Text der MWL(7), dem wir nunmehr folgen wollen:

Frauen und bai´ah: bai´ah bezeichnet den Vorgang einer Wahl bzw. Bestätigung eines islamischen politischen Führers durch das Volk, ein notwendiger Akt der Legitimation. Mohammed empfing bai´ah und nahm dabei den Treueid auch von Frauen entgegen. Als man einen Nachfolger für Omar suchte, wurden Männer und Frauen befragt.

Frauen und shura: shura ist ein Beratungsprozeß, der für politische Entscheidungen notwendig ist und entweder vom ganzen Volk oder von Repräsentanten ausgeführt wird. Unsere Gewährsperson betont das Beteiligungsrecht von Frauen an diesem.

Frauen als Richterinnen: es werden etliche berühmte Rechtsgelehrte angeführt, die der Auffassung waren, Frauen könnten sehr wohl als Richterinnen agieren, so gestand der im Hauptexkurs bereits erwähnte ibn Hazm (10. Jh.) ihnen dies uneingeschränkt zu. Omar ernannte eine Frau namens Al Shafa bint Abdullah ibn abd Shams zur Leiterin des Marktes von Medina.

Frauen als Imame: Der Imam leitet die Gläubigen im Gebet und ist häufig darüber hinaus auch der religiöse, manchmal auch politische Führer. Unsere Gewährsperson diskutiert eingehend die Kriterien, die den Imam qualifizieren, trägt eine Ahadith-Diskussion vor und kommt zu dem Schluß, dass das Geschlecht des Imams keine Rolle spielt. Wir geben dies hier sehr stark verkürzt wieder.

Der erste islamische Märtyrer war eine Frau: Sumaya zawgat Yasir. Eine Frau namens Umm Imara verteidigte das Leben Mohammeds in einer für die Muslime verlorenen Schlacht, Omar selbst berichtete davon, wie Mohammed es ihm erzählt hatte: "am Tag von Uhud sah ich niemals nach rechts oder links, ohne Umm Imara zu sehen, wie sie mich verteidigte". In dieser Schlacht kämpfte auch Nasiba bint Kaab, die sich später als Kämpferin an der Seite Abu Bekrs des ersten Kalifen, so hervortat, dass er persönlich an ihrem Empfang in Medina teilnahm. Umm Hani bint Abi Talib gewährte zwei Nichtmuslimen Schutz, ging zu Mohammed und berichtete es ihm. Mohammed sagte ihr, der Schutz der Muslime gälte allen, denen sie ihn gewährte.

Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen. Der Islam ist - da wir ihn in Übereinstimmung mit ihm selbst angesichts der Lebenszeit Mohammeds definieren - keinesfalls eine frauenfeindliche Religion. Dass die Verhältnisse vielerorts andere sind, hat nichts mit dem Islam als solchem zu tun, zumal sich gegen eben jene Verhältnisse innerislamische Kritik erhebt. Wie es zu diesen Verhältnissen gekommen sein muss, haben wir bereits gesehen: die mittelalterliche Verknöcherung sowie der starke Einfluss von Kultur und vorherigem Glauben der Muslime, die nicht zur Kernzelle gehörten, haben sie verursacht. Wobei dies die Gründe und keine Entschuldigung darstellt.

Hans Schuhmacher

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1) Miksch, Kaiser und Kalifen, S. 337ff. (Fußnote)
2) alles hier Vorgetragene nach: Women in pre-islamic Arabia, Moslem Women's league USA
3) Spiritual role of women, MWLUSA
4) Deschner, Kirchengeschichte, S. 221
5) spiritual role...
6) MWLUSA: Social interaction in Islam
7) MWLUSA: Women in society: Political Participation

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