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David Weihnacht
28.04.2017, 09:55

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Jemand anders isst die Weihnachtsgans

Wie Heiden mit Weihnachten umgehen können

Zusammen mit zwei heidnischen Freunden überlegte ich kürzlich, wie wir Silvester verbringen möchten. Gehen wir zu einer Silvesterparty bei Freunden, machen wir eine eigene Feier oder sollen wir lieber an einer öffentlichen Veranstaltung teilnehmen? Bei unseren Überlegungen stießen wir auf ein Grundsatzproblem. Sollten wir denn überhaupt Silvester feiern, wo wir "unseren" Jahreswechsel an Samhain doch schon begangen haben? Ist es für uns in Ordnung, wenn wir opportunistisch an jeder gesellschaftlichen Veranstaltung teilnehmen, obwohl wir uns eigentlich von einigen dieser Traditionen abgrenzen? Andererseits möchte man natürlich auch nicht um zehn ins Bett, wenn die gesamte westliche Welt auf den Strassen feiert. Plötzlich schien das Problem wohl doch etwas größer und umfassender zu sein, als die simple Frage nach der Abendgestaltung am letzten Dezembertag.

Einige Aussagen während unseres Gesprächs lauteten ungefähr folgendermaßen: "Wir sollten wirklich eine Gegenparty machen", "ich finde Silvester nicht so wichtig, ist halt einfach irgend so 'ne Feier. Ist doch ganz egal was man da macht" oder "eigentlich ist das ja nix für mich, rumlangweilen möchte ich mich aber auch nicht". Die Idee einer Gegenveranstaltung, Gleichgültigkeit und der Wunsch nach Abgrenzung, gleichzeitig aber nicht ausgeschlossen sein zu wollen - diese gegensätzlichen Aussagen deuten einen kulturellen Konflikt an, über den ich, vor allem in Bezug auf ein weiteres winterliches Fest, nämlich Weihnachten, intensiv nachdenken musste.

Vielen Heiden wird es wahrscheinlich ähnlich gehen wie mir selbst. Ich stamme nicht aus einem heidnischen Elternhaus, sondern bin sozusagen erst später zum Heiden geworden. Mein familiärer Hintergrund ist eher christlich orientiert, aber nicht praktizierend, d.h. man geht nicht oder nur in seltenen Ausnahmefällen in die Kirche, orientiert sich aber an christlichen Traditionen, was Rituale und Feierlichkeiten betrifft. Mit anderen Worten, man feiert auch das Weihnachtsfest, komplett mit Baum, Kerzen, Familientreffen, Geschenken und zu meinem persönlichen Schrecken auch allzu oft mit dem Gesang weihnachtlicher Kinderchöre im Hintergrund. Nun ist das Weihnachtsfest für mich als aktiven Heiden aus diversen Gründen eine etwas problembehaftete Feierlichkeit. Zunächst und vor allem, weil es sich um ein christliches, religiöses Ritual handelt. Dass einige Elemente teilweise auch auf heidnische Traditionen zurückgehen, mag geschichtlich interessant sein, täuscht aber nicht über die Tatsache hinweg, dass die Geburt des wichtigsten und religionsstiftenden Propheten der Christen gefeiert wird und es außerdem das höchste Fest des Jahres ist. Da ich nun mal kein Christ bin habe ich kein besonderes Interesse, mich daran zu beteiligen und jemanden zu verehren, der mir nichts bedeutet. Die Gestaltung des Rituals stört mich nicht, da es in meinem Elternhaus meist nicht in besonderem Maße mit christlichen Botschaften verbunden wird. Ich finde die westlichen Weihnachtspraktiken, vor allem im wirtschaftlichen Bereich, zwar recht fragwürdig, kann mich mit vielen sozialen Elementen aber durchaus identifizieren. Das jährliche Treffen mit Familie und Verwandtschaft, sowie die diversen Festessen sind Dinge, die ich für wertvoll halte und auf die ich nur ungern verzichten würde. Nichts desto trotz betrifft die Teilnahme oder Nichtteilnahme an diesem Fest mein Selbstverständnis als Heide. Schließlich bedeutet Heide zu sein unter anderem ja auch, nicht Christ zu sein und dass man in der Regel nicht an christlichen Ritualen teilnimmt. Eine jährliche Teilnahme am Weihnachtsfest läuft dem, in meinen Augen, entschieden zuwider. Kulturelle Identität wird eben nicht nur durch das Praktizieren der eigenen Traditionen gebildet, sondern auch durch die Abgrenzung von Traditionen anderer Weltanschauungen. Insbesondere wenn man, wie z.B. ich, seine kulturelle Identität nicht im Laufe seiner Sozialisation anerzogen bekommen hat, sondern sie mehr oder weniger mühsam selbst entdecken muss, lässt sich ein aktiver Abgrenzungsprozess einfach nicht vermeiden.

Im Folgenden möchte ich eine Reihe von Möglichkeiten aufzeigen, diesen Kultur- oder Interessenskonflikt zu bewältigen. Ich gehe hier natürlich davon aus, dass ein solcher gedanklicher Konflikt auch vorliegt. Wer keine Schwierigkeiten darin sieht, einfach Weihnachten zu feiern, muss sich natürlich auch keine weiteren Gedanken dazu machen. Sich trotzdem einmal gedanklich damit auseinander zu setzen mag jedoch durchaus bereichernd sein.

God Jul!

Im Folgenden habe ich vier Hauptkategorien definiert, die mir zweckmäßig erschienen, um Möglichkeiten der Konfliktbewältigung am Beispiel Weihnachten aufzuzeigen.

1. Schauspielerei

Das ist die einfachste Möglichkeit, einer offenen Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen. Man tut einfach so als sei man Christ und feiert das Weihnachtsfest mit allem drum und dran. Ein öffentliches Ansprechen des Themas in Familie und Verwandtschaft kann problemlos vermieden werden.

2. Teilnehmende Beobachtung

Man definiert seine Teilnahme am Weihnachtsritual um und sieht es bewusst als Teil einer fremden Weltanschauung. Man betrachtet die rituellen Handlungen als Teil des christlichen Kontext, empfindet sich selbst aber nicht als voll integrierten Bestandteil der Gruppe. Der Begriff teilnehmende Beobachtung entstammt der Feldforschungspraxis der Sozialanthropologie, man darf sich hier also so richtig als Erforscher fremder Kulturen fühlen. ;-) Diese Umdeutung der Teilnahme kann offen oder versteckt erfolgen, d.h. man muss die Religionsthematik nicht zwingend mit den anderen Ritualteilnehmern erörtern.

3. Kompromisse / Änderungen

Es gibt viele Möglichkeiten, eventuelle Konflikte durch Kompromisse zu vermeiden. Möchte man nicht in der üblichen Form am Weihnachtsfest teilnehmen, kann es durch Auslassen und Hinzufügen von Ritualbestandteilen abgeändert werden. Das kann einfach nur bedeuten, dass man keine Lieder singt oder nicht am Geschenkaustausch teilnimmt, aber auch soweit gehen, dass man das gesamte Fest auf ein anderes Datum verschiebt (z.B. Wintersonnenwende am 21.12) und eventuell zusätzlich Ritualbestandteile abändert. Durch Ritualänderungen lässt sich das Fest teilweise oder vollständig umdefinieren, ohne den gesellschaftlichen Rahmen völlig zu ignorieren. Eine Möglichkeit wäre es beispielsweise, das Fest der christlichen Verwandten durch Beisteuerung heidnischer Sonnwendbräuche zu bereichern, dem Fest so eine persönliche heidnische Note zu verleihen und die "traditionelle" Familienweihnacht trotzdem nicht ernstlich zu stören.

Mögliche Bestandteile solcher Kompromisse und Änderungen können sein:

  1. teilweise oder vollständige Auslassung von Ritualbestandteilen
  2. teilweise oder vollständige Nichtteilnahme an Ritualbestandteilen
  3. zeitliche Verschiebung des gesamten Festes oder einzelner Ritualbestandteile
  4. Umdeutung des gesamten Festes oder einzelner Ritualbestandteile
  5. Hinzufügen von Ritualbestandteilen

In den seltensten Fällen wird es möglich sein, die Gründe für die Kompromisse und Änderungenswünsche nicht zu thematisieren, da meist auch die anderen Teilnehmer des Festes betroffen sind.

4. Nichtteilnahme

Man geht eben einfach nicht hin und feiert nicht mit. Das ist eigentlich der einfachste Umgang mit dem Thema, der aus naheliegenden Gründen aber wohl nur wenigen Heiden möglich sein dürfte. Soziale Nachteile sind möglicherweise nicht zu vermeiden. Jemand anders isst die Weihnachtsgans!

Ich sehe auch noch eine weniger klar umrissene fünfte Möglichkeit, die allerdings mehr aus dem eigenen spirituellen bzw. kulturellen Verständnis resultieren muss. Ausgehend von der Auffassung, dass es sich bei allen Religionen um unterschiedliche Ausdrucksformen der selben spirituellen "Tatsachen" handelt, können den Ritualen der verschiedenen Weltanschauungen die selbe Gültigkeit für die eigene Person eingeräumt werden. In meinen Augen ist eine solche Einstellung allerdings nicht speziell heidnisch, sondern eher esoterisch und wird hier nur der Vollständigkeit halber aufgeführt.

Natürlich muss jeder selbst wissen, welchen Weg er wählt. Auf keinen Fall möchte ich, dass der Eindruck entsteht, dass ich das Weihnachtsfest schlecht machen wollte oder ich sogar etwas gegen Christen hätte. Ich denke aber, dass es sich bei der oben beschriebenen Situation um etwas handelt, in dem es vielen Heiden so geht oder gegangen ist wie mir und dass es notwendig ist, die Problematik offen zu thematisieren und aktiv mit ihr umzugehen. Es handelt sich schließlich um eine ganz praktische und alltägliche soziale Fragestellung, deren Kernthema die Integration der heidnischen Kultur in die Gesellschaft ist. Aktiver Umgang mit dem Thema kann uns unsere eigenen Standpunkte verdeutlichen und uns Anregungen für den Umgang mit ähnlichen Situationen geben. Offene Diskussion der Thematik und das Finden von Kompromissen führt zu Kulturbegegnungen, die einen bereichernden Beitrag für uns und die Gesellschaft leisten können.

David

Carl Larsson: Midvinterblot

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