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28.04.2017, 09:55

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Hrafndaelar Saga - Ein Experiment

Material für Teilnehmer

4. Harald Schönhaar und seine Königsherrschaft

Zum Kontext der Besiedlungsgeschichte Islands im Spiegel der altnordischen Literatur des Mittelalters

Dieser Beitrag soll - wie einige weitere, die voraussichtlich noch folgen werden - den Hintergrund der Isländersagas für Teilnehmer des "Sagaspiel-Projekts" ein wenig anreichern. Die hier von mir geschilderten Vorgänge und Zustände gehören zum Wissenshintergrund der Figuren der "Hrafndaelar Saga" - freilich mit Ausnahme meiner gelegentlichen Vergleiche mit späteren Vorgängen.

Mit anderen Worten: Was ich hier darlege, ist den Sagafiguren in unterschiedlichem Grade bewusst und gehört bei einigen untrennbar zu ihrer eigenen Biographie. Hier ist Thorbjörn der Rabentalgode zu nennen, der "in den Tagen Harald Schönhaars" nach Island auswanderte, desgleichen der Bonde Eyolf und seine Frau Sigrun. Dagegen ist fraglich, ob Thorgrim Rothemd klar war, auf was er sich einließ, als er schwor, nach Norwegen auszufahren.

Als Quelle verwende ich Snorri Sturlursons "Heimskringla", hauptsächlich darum, weil Snorri Isländer und Zeitgenosse vieler Saga-Autoren war. Es wird vermutet, dass Snorri der Verfasser der Egils Saga Skallagrimssonar war, welche eine der bedeutendsten Isländersagas ist. Snorri war selbst weitläufig mit Egil verwandt, erwarb Egils Hof Borg und heiratete eine seiner direkten Nachfahrinnen. Snorris Blickwinkel ist also weitgehend der seiner literarischen Kollegen, und auch seine "Heimskringla" verstand er als Saga-Sammlung. Wir verlassen das Genre "Saga" also an keiner Stelle, wenn auch Königssagas herangezogen werden, um Hintergrund für Isländersagas zu liefern.

Snorri Sturlurson und die "Heimskringla"

Snorri (1178 - 1241) lebte lange nach der Bekehrung Islands zum Christentum (1000) und nach der Regierungszeit Harald Schönhaars (gest. 933). Im Wesentlichen ist Snorris Schilderung trotzdem historisch korrekt. Er stützte sich hauptsächlich auf Skaldendichtung, die er in der "Heimskringla" zitiert. Snorri war der bedeutendste Gelehrte des mittelalterlichen Skandinavien, der Verfasser des heute (irrtümlich) als "Jüngere Edda" bezeichneten Skaldenlehrbuchs.

Als mit klassischer Bildung in Berührung gekommener Christ unternahm Snorri es, seinen Kulturkreis durch Geschichtsschreibung in die römisch-christliche Welt zu integrieren. Im Gegensatz zu beispielsweise dem Goten Jordanes und dem Langobarden Paulus Diakonus lange vor ihm versuchte er aber keine Imitation der Form, wie sie von den römischen annales und der hellenischen und hellenistischen Geschichtsschreibung und Ethnographie vorgegeben wurde und die ihrem Stoff jeweils vehemente Gewalt antat. Als Isländer entschied er sich stattdessen für die Saga, eine isländische Kulturschöpfung.

Snorri war ein bemerkenswert konsequenter Charakter und gleicht darin durchaus seinen Sagafiguren: Obwohl in Norwegen in hohem Ansehen stehend, setzte er sich zeit seines Lebens für isländische Belange ein, hintertrieb Zugriffe seiner norwegischen Gönner auf Island und wurde schließlich infolge der Verwicklungen, in die er deswegen geriet, umgebracht.

In diesen Zusammenhang gehört auch Snorris Umgang mit dem alten Heidentum. Als Christ sah er sich genötigt, dieses zu erklären, aber als Isländer weigerte er sich, seine Vorfahren anzuschwärzen und zu verteufeln. Snorri griff zu dem bemerkenswerten Mittel, das Heidentum zum und als Irrtum zu erklären, dem aufzusitzen vor Verkündung der christlichen Heilsbotschaft nicht schändlich gewesen war. Kurzerhand erklärte er die alten Götter zu Menschen, die mit - zweifelsohne teuflischen - Zauberkräften die Menschen über Generationen hinweg täuschten, auch noch lange nach ihrem eigenen Tod.

Diese Schilderung in der "Heimskringla" steht in völligem Einklang mit seiner "Gylfaginning", dem ersten Abschnitt seiner "Edda". In dieser zaubern drei "Götter" dem Schwedenkönig Gylfi etwas vor. Dieser Zauber war anscheinend derart wirkungsvoll, dass es auch heute noch Leute, z.B. germanische Neuheiden gibt, die das Skaldenlehrbuch (!) des Christen Snorri für "göttliche Offenbarungen" halten: Man denke nur an den hinlänglich bekannten "Allsherjargoden" Geza von Nemenyi. Angesichts dessen muss man sich fragen, ob der alte Snorri nicht vielleicht selbst so einiges von den "Trollkünsten" beherrschte, die er anprangerte ...

Die "Heimskringla" trägt ihren Namen nach ihrem Anfang: "Kringla heimsins, sú er mánnfolkit byggvir" - Der Erdkreis, soweit er von Menschen bewohnt ist. Snorris Werk umfasst die Zeit von den mythischen Ynglingen ("Schwedenkönige", genauer Könige der Svear, deren Hauptsitz Uppsala war und deren Königtum stark kultischen Charakter hatte) bis zu König Magnus Erlingsson (gest. 1184).

Der Blickwinkel ist durchweg ein norwegisch-isländischer, so kommen die Dänenkönige schlecht und die alten Ynglinge noch wesentlich schlechter weg, da sie sich die Norweger aus verschiedenen Gründen wohl schon lange vor Snorris Zeit zu Feinden gemacht hatten. Das Christentum tat dann wegen des kultischen Charakters des Ynglinger-Königtums und des erstaunlichen Beharrungsvermögens des Heidentums in ihrem Stammland ein Übriges hinzu. Anscheinend war der Heilige Hain in Uppsala bis ins 13. Jahrhundert in Gebrauch und Schauplatz grausiger Horrorgeschichten.

Man darf sich also nicht wundern, bei Snorri unter den Ynglingern eine ganze Schar von Mördern, Zauberern, Dummköpfen und Feiglingen zu finden, deren bekanntester wohl König Aðils sein dürfte, den auch der Verfasser der Saga von Hrolf Kraki gewaltig angeschwärzt hatte.

Die Taten des Harald Schönhaar, tatsächlich reichlich grausig, beschönigte Snorri ebenso wenig wie die Vorgänge bei Olaf Tryggvassons (968 - 1000) Zwangschristianisierung Norwegens. Massive und massenhafte Gewaltanwendung, Erpressung, Folter und Tötungen bei diesem ruhmreichen Unterfangen verschweigt der Christ Snorri keineswegs, er unterlässt es auch, derlei zu rechtfertigen. Snorris Norwegerkönige sind vor allem Sagafiguren, also durch ihre geschilderten Handlungen charakterisierte, fein gezeichnete Charaktere mit all ihrer Vielschichtigkeit.

Die Literaturform Saga ist extrem personenzentriert und daher für eine zeitgenössisch-wissenschaftliche Geschichtsbetrachtung wenig brauchbar, da letztere dazu neigt, Strukturen, ökonomische Entwicklungen, Diskurse etc. in den Vordergrund zu stellen und handelnde Personen am ehesten als eine Art Orientierungspunkte zu sehen.

Aber eine derartige Geschichtsbetrachtung war Snorri ohnehin fremd. Seine personenfixierte Betrachtungsweise hat aber womöglich - und damit möchte ich diesen Abschnitt beschließen - auch heute noch etwas für sich, wenn sie nicht ausschließlich verwendet wird: Keine Sagafigur kann sich auf Umstände berufen und sich so herausreden, ohne aufzuhören, eine Sagafigur zu sein. Der Handelnde ist nicht nur immer verantwortlich, er wird identifiziert ausschließlich als der Urheber seiner Handlungen.

Harald Schönhaar

Haralds Vater Halvdan der Schwarze steht gewissermaßen auf der Grenzlinie zwischen einer mythischen Gestalt und einem historischen Norwegerkönig. Halvdan war (angeblich) so beliebt, dass er nach seinem Tod in vier Teile geteilt und so in vier verschiedenen Grabhügeln bestattet werden konnte. Die Toten galten in ihren Hügeln als persönlich anwesend und wirkmächtig, zumal wenn es sich um so bedeutende Charaktere wie König Halvdan handelte.

Diese Beliebtheit erreichte Harald Schönhaar nie. Snorri erzählt kommentarlos die bekannte Legende von seinem Beinamen: Harald habe die Tochter des Königs Eirik als Geliebte begehrt, diese aber habe ihm geantwortet, sie wolle nur den König von ganz Norwegen erhören, der so herrsche wie Gorm der Alte in Dänemark. Daraufhin habe Harald geschworen, sein Haar nicht zu pflegen, bis er dies erreicht hätte, was ihm den Namen Harald Luwa (Zottelkopf) einbrachte.

Jenseits des Sagahorizonts muss man wohl nach anderen Motiven für Haralds Bemühungen Ausschau halten. Trotz einer Mehrzahl von Königen in Norwegen muss man sich die damaligen Verhältnisse so vorstellen wie später in Island: Bonden (freie Bauern), organisiert in Thingbezirken und -verbänden (fylkis), regelten ihre Angelegenheiten selbst und duldeten niemanden über sich. Dies, und nicht die anderen Könige, war Haralds Hauptproblem.

Was Harald - und seine Parteigänger - motivierte, diese Verhältnisse zu zerschlagen und die politische Macht an sich zu reißen, ist nicht leicht zu beantworten. Als Harald sein Ziel erreicht hatte, tat er nichts als zu versuchen, diese zu behaupten - die Gewaltherrschaft des Harald Schönhaar wirkt wie ein reiner Selbstzweck. Im Gegensatz zum späteren Dänenkönig Harald Blauzahn, der Zwangschristianisierung und Zentralisierung Dänemarks versuchte, stand Norwegen nicht unter dem Druck schwerbewaffneter, aggressiver Nachbarn - in Harald Blauzahns Fall der deutsche Kaiser.

Vielleicht verfolgte Harald Schönhaar Ziele, von denen wir nichts wissen. Vielleicht war er aber auch nur inspiriert von der Macht der Karolinger und ihrer Nachfolger über ihre Untertanen. Auf dem europäischen Kontinent gab es keine freien Bauern mehr, sondern wehr- und hilflose Untertanen, welche die schwerbewaffnete Militärelite, die sie unterdrückte, ernähren mussten.

Haralds Vorgehen war jedenfalls eindeutig so ausgerichtet. Snorri: "Dem ganzen Land, das er sich erobert hatte, gab König Harald nun Recht und Gesetze (d.h. er brach das alte Recht, H.S.), er machte sich das freie Bauernland zu Eigen und ließ sich von allen Bauern Tribut zahlen, von reichen wie armen. Über jeden Bezirk setzte er einen Jarl, der die Gesetze in Land aufrecht erhalten, Lehnsgelder und Königsabgaben einziehen sollte. Die Jarle bekamen ein Drittel der Zölle und Abgaben für ihren Tisch und auch ihre Beköstigung. Jedem Jarl standen vier Hersen oder mehr zu, jeder von ihnen sollte 20 Mark für seinen Unterhalt erhalten. Jeder Jarl sollte dem König 60 Kämpen ins Heer liefern, jeder Herse 20. So sehr hatte Harald Steuern und Abgaben vermehrt, dass seine Jarle mehr Reichtum und Macht besaßen als vorher die Könige. Als man dies in der Gegend von Trondheim begriff, suchten viele Große König Harald auf und wurden seine Männer."

Harald beraubte also die Bonden ihrer sozialen Existenz und machte sie zu Abhängigen, und mit den eingetriebenen Werten versah er eine von ihm abhängige militärische Hierarchie - Jarl und Herse sind Ränge von Kriegsanführern. Die Parallele zum europäischen Kontinent ist nicht zu übersehen. Es wird auch deutlich, warum sich etliche der "Großen" ihm anschlossen. Haralds Maßnahmen zielten auf die Vernichtung der Bonden als soziale Schicht.

Aber nicht alle bedeutenden Persönlichkeiten spielten Haralds Spiel. So berichtet eine Isländersaga, die Laxardaelarsaga: "In den späten Lebenstagen Ketils (eines Hersen, H.S.) hob Harald Schönhaar sich zu solcher Macht, dass kein Gaukönig im Land mehr etwas galt oder sonst ein Häuptling, vielmehr er allein über ihre Befugnisse bestimmen wollte. Als nun Ketil erfuhr, dass von König Harald ihm das gleiche zugedacht sei wie den anderen Großen: Keine Buße zu bekommen für Verwandte und sich selbst in einen Pächter umgewandelt zu sehen (! H.S.), da berief er seine Verwandten zu einem Thing und hob so an zu sprechen: "Bekannt ist euch, wie sich die Dinge zwischen mir und König Harald gestaltet haben; darüber ist nicht weiter zu reden, denn wichtiger ist es für uns, einen Entschluss zu fassen gegenüber dem uns noch drohenden Unheil. Ich weiß bestimmt, dass König Harald uns feindselig gesinnt ist; ich meine, dass wir von dieser Seite nichts Gutes zu erwarten haben. Meiner Ansicht nach stehen uns zwei Wege offen: Das Land zu fliehen oder uns erschlagen zu lassen, jeder auf seinem Platz. Ich bin ja nun ganz bereit, des gleichen Todes zu sterben wie meine Verwandten, doch will ich euch durch meinen Entschluss allein nicht in ein solches Unglück bringen: Ich kenne ja die Gesinnung unserer Verwandten und Freunde, dass ihr euch nicht von uns trennen werdet, sollte es auch eine Männerprobe gelten, wenn ihr mir folgt.""

Wichtig ist hier, dass der Herse Ketil nicht befiehlt, sondern eine Versammlung einberuft und bereit ist, sich nach dem Ergebnis der Beratung zu richten. Der Autor der Saga, der bei seinen Lesern ein Wissen über die Verhältnisse unter Harald Schönhaar voraussetzen konnte, zeigt den krassen Gegensatz zwischen diesen und den alten Verhältnissen, repräsentiert von Ketil und den Seinen.

Die Versammlung beschließt die Auswanderung. Ketil und sein Anhang kommen zuerst nach Schottland, seine Tochter Unn führt die Expedition weiter auf die Orkneys und dann auf die Faröer, überall dort begründet sie Häuptlingsgeschlechter. Schließlich kommt sie mit den Ihren nach Island. Wir werden im Folgenden sehen, dass der Verfasser der Laxardaelarsaga all diese Örtlichkeiten aus gutem Grund in seine Erzählung aufgenommen hat.

Harald indessen wirft die restlichen Alt-Könige nieder und bekämpft Aufstände - ich verzichte hier auf die Details. Für uns ist interessanter, wie die Betroffenen reagierten.

Widerstandskämpfer - Waldleute, Wikinger, Isländer

Snorri: "Nach diesem Seegefecht fand Harald keinen Widerstand mehr in Norwegen, denn seine stärksten Gegner waren alle gefallen, andere außer Landes geflohen. Und das war eine erhebliche Zahl, denn damals wurden große Flächen Ödlands besiedelt. Da zogen viele nach Jämtland und Helsingland (außerhalb von Haralds Machbereich, H.S.), doch waren beide Landschaften schon vorher von Norwegern bewohnt. In dieser Unruhezeit, als Harald sich Norwegens bemächtigte, wurden fremde Länder entdeckt und besiedelt: Die Faröer und Island, auch wanderten einige nach Hjaltland (Shetlands) aus, viele Vornehme aus Norwegen wurden landesflüchtig wegen Harald, wurden Wikinger im Westen. Im Winter blieben sie auf den Orkneys und Sudereys (Hebriden), im Sommer aber verheerten sie stets Norwegen und brachten dem Land manchen Schaden. Doch gab's unter den Reichen auch viele, die sich in König Haralds Gewalt begaben, seine Untertanen wurden und im Land blieben."

Die genannten Inselgruppen wurden also Widerstandsnester, von denen aus Haralds Feinde gegen diesen zurückschlugen. Auch die Wald- und Einödebewohner werden dort nicht Ruhe gehalten haben. Zu den auch für Heutige einsichtigen Gründen für solches Handeln kommt noch ein weiterer hinzu, der für die Betroffenen womöglich im Vordergrund stand: Die Menschen dieser Zeit kannten den von der Moderne konstruierten Unterschied zwischen Privatperson und sozialer Rolle nicht.

Harald und die Seinen hatten besonders die Bonden in mehr als einer Hinsicht entwurzelt. Landbesitz und altes Recht waren für Bonden essentielle Elemente ihres Daseins. Als Harald versuchte, den "Stand" der Bonden zu vernichten, schuf er dadurch Menschen, die in jeder Hinsicht nichts mehr hielt, die aber wussten, wem sie das zu verdanken hatten.

Die Zeche zahlten nicht nur die Daheimgebliebenen, sondern auch die wehrlos gemachten Bewohner des Kontinents, deren Herren ihre vollmundigen Schutzversprechen gegen die Wikinger nicht halten konnten. So trug Harald Schönhaar nicht unerheblich dazu bei, die Krise zu verschärfen, welche die Wikingerzüge für die christlichen Reiche bedeuteten.

Diejenigen aber, die nach Island gingen, wählten einen anderen Weg: Sie etablierten dort eine Gesellschaft, die der norwegischen vor Harald Schönhaar anscheinend genau entsprach. Dies ist für das Selbstverständnis der Isländer von zentraler Bedeutung - und damit auch für die Isländersagas.

Gegen die Wikinger auf den Inselgruppen schlug Harald zurück. Er dürfte kaum eine andere Wahl gehabt haben. Snorri: "Wie nun Harald vernahm, wie Wikinger, die den Winter über im Westmeer weilten, weit und breit im mittleren Norwegen brandschatzten, zog er sommers mit den Seekämpen aufs Meer und suchte Inseln und Schären heim, und wo immer Wikinger das Königsheer nahen sahen, flohen sie allesamt auf die hohe See. Weil den König die Seeräuberplage verdross, segelte er eines Sommers mit seinen Kämpen ins Westmeer, zuerst kam er nach Hjaltland und machte die Wikinger unschädlich, die nicht rechtzeitig geflüchtet waren. Dann fuhr er südwärts zu den Orkneys und säuberte sie von Wikingern. Darauf segelte er zu den Sudereys (Hebriden), erschlug dort manchen Seeräuber, der vordem ein Heerführer gewesen war. Viele Gefechte bestand er und trug häufig den Sieg davon. Darauf verwüstete er Schottland, wo er ebenfalls manche Kämpfe ausfocht. Als er zur Insel Man kam, war ihm die Kunde vorausgeeilt, wie viel Fehden er schon siegreich bestanden hatte. Da flohen die Leute ins Innere Schottlands, und Man war gänzlich leer von Menschen ..."

Eine Invasion Islands scheint Harald Schönhaar gar nicht erst erwogen zu haben. Ganz im Gegensatz zu Olaf Tryggvasson, der sie ernsthaft androhte, fehlten ihm offensichtlich die Mittel dazu, das verhältnismäßig große Island zu überrennen ? zumal er in Norwegen niemals Ruhe fand.

Trotzdem feierte er seinen (vermeintlichen) Triumph, indem er sich von seinem Lieblingsjarl das Haar schneiden und richten ließ, worauf man ihn Harald Schönhaar nannte - so Snorri. Allerdings muss hier der Einwand erhoben werden, dass sein alter Name, Harald Luwa, ein Spottname ist, den ihm wahrscheinlich seine Feinde beigelegt hatten. Die Geschichte von der Königstochter kann durchaus aus Haralds "Propaganda-Abteilung" stammen, und die aufwendige Prozedur der öffentliche Coiffure war nötig, da sich auch ein Harald Schönhaar nicht der überragenden Bedeutung des Ansehens in der nordischen Gesellschaft entziehen konnte. Die Königstochter gewann er schließlich - selbstverständlich ...

Snorri teilt mit, wie Gangr-Hrolf, der berühmte "Rollo der Wikinger", Gründer der Normandie, von Harald aus dem Land gejagt wurde. Auch diesen historisch bedeutsamen Prozess hatte Harald ausgelöst.

Wie und warum Harald Schönhaar scheiterte

Ähnlich wie Karl der Große konnte Harald Schönhaar nicht die Primogenitur, das Recht der Erstgeburt, einführen. Dieses Problem verschärfte sich immens durch die große Zahl von Haralds Söhnen, die sich bereits zu Haralds Lebzeiten blutig befehdeten. Harald versuchte anscheinend, eine gestaffelte Hierarchie von Königen einzuführen, mit seinem Lieblingssohn Erik Blutaxt an der Spitze. Dieser Versuch scheiterte drastisch, Erik überlebte seinen Vater nicht lange. Die Spirale der Gewalt, von Harald losgetreten, eskalierte immer weiter, zumal auch Haralds Feinde niemals Ruhe gaben.

Sehr im Gegensatz zu Olaf Tryggvasson, der ein noch viel schlimmerer Tyrann war als er, starb Harald Schönhaar in seinem Bett. Über fünfzig Jahre lang hatte er regiert und vor allem eins erreicht: Dass das Blutvergießen in großem Ausmaß noch sehr lange weiterging.

Bezeichnenderweise war sein erfolgreichster Sohn Hakon der Gute, Ziehsohn des Angelsachsenkönigs Aethelstane und Christ, der folgende Politik betrieb: Er gab den Bonden ihr Land und ihre Rechte zurück. Das Übergewicht, das Hakon dadurch zuteil wurde, gab bei seinen Kämpfen gegen die anderen Haraldssöhne den Ausschlag. Aber prompt betraten die Bonden wieder die politische Bühne, verärgerten die Könige durch Ungehorsam - und weigerten sich vor allem, das Christentum anzunehmen.

Dieses Instrument nämlich hatte Harald Schönhaar gefehlt. Es war dasjenige Instrument, das auf dem Kontinent der alten Freiheit das Rückgrat gebrochen hatte. Bei der Zwangschristianisierung ging es nicht um "Glauben", es ging um Zertrümmerung der alten Gesellschaftsordnung - Gesetz, Sitte und "Religion" waren nicht voneinander zu trennen. Harald Luwa hatte versucht, mit Gewalt das zu erreichen, was Karl der Große mit Gewalt und dem Kreuz erreicht hatte. Olaf Tryggvasson zeigte später, dass er diese Lektion begriffen hatte. Aber das ist eine andere Geschichte.

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