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Hrafndaelar Saga - Ein Experiment

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2. Grundlegendes zur isländischen Gesellschaft zur Sagazeit

Isländische "Stände"

Die isländische Gesellschaft zur Sagazeit war eine staatslose Gesellschaft. Öffentliche Angelegenheiten wurden von regionalen Things (Versammlungen) geregelt, oder vor dem Allthing. Dort galt ein sehr komplexes Recht, dessen Kenner, Gesetzessprecher und Rechtskundige, in hohem Ansehen standen. Things gleich welcher Größenordnungen liegen jenseits unserer Möglichkeiten, weswegen die Bewohner des Rabentals ihre Angelegenheiten selbst regeln müssen.

Die wichtigsten Lokalgrößen waren Goden, Häuptlinge und Großbauern. Das isländische Godentum, das offenbar auf ein schwer zu definierendes skandinavisches Sakralamt zurückgeht, hatte im Island der Sagazeit anscheinend kaum noch sakral-religiöse Züge. Das Godentum konnte vererbt und sogar verkauft werden. Es brachte dem Inhaber eine ganze Reihe von Vorrechten und Pflichten ein.

Deren wichtigste für unsere Zwecke haben mit den oben erwähnten Versammlungen zu tun. Der Gode war eine Art Thinghäuptling, er ritt mit möglichst vielen seiner Anhänger zu den Versammlungen, vertrat dort deren Anliegen (sowie seine eigenen) und konnte sich dabei sowohl auf die große Zahl seiner Anhänger als auch auf sein Ansehen stützen. Daheim war er seinen Anhängern zu Schutz und Hilfe verpflichtet, diese ihm zum Beistand. Der Gode konnte also auf viele Hände zurückgreifen, war aber auch vielen Bauern verpflichtet.

Gewöhnlich kam das Verhältnis zwischen Gode und Bauer durch gegenseitige Übereinkunft zustande, wenn auch vom oben erwähnten Goden Hrafnkel erzählt wird, er habe die Bewohner des Jökulsdals "unter sich gezwungen". War der Gode einer Landschaft mächtig (durch viele Anhänger) und angesehen, war es schwierig, aber nicht unmöglich, sich ihm zu widersetzen. Zum Widerstandskern konnten typischerweise Großbauern ohne Godentum, benachbarte und konkurrierende Goden oder besonders angesehene und kluge Leute werden, auch wenn sie selbst nicht reich und mächtig waren.

Streitigkeiten unter ihren Anhängern mussten Goden und Großbauern möglichst beilegen, ohne Anhänger und Ansehen zu verlieren.

Goden, Großbauern und Bauern war gemeinsam, dass sie Land besaßen. Sie oder ihre Vorfahren hatten es sich durch rituelle Landnahme (Umschreiten mit Feuer) bei ihrer Ankunft in Island angeeignet. Bei Erbteilung oder Landverkauf kam es oft zu gefährlichen Streitigkeiten. Landraub wurde vom Thing geahndet - falls man ihn beweisen konnte.

Pächter bewirtschafteten Land, das Goden oder Großbauern gehörte. Sie besaßen eigenes Vieh, mussten Abgaben leisten, konnten aber Hilfe von ihren Grundbesitzern verlangen, wenn sie in Schwierigkeiten gerieten. Pächter waren frei und konnten zB vor dem Thing klagen.

Knechte waren meist auf Kriegszügen außerhalb Islands in Gefangenschaft Geratene oder deren Nachkommen. Sie standen in der Munt ihrer Herren, galten also nicht als rechtsfähige Personen. Andererseits brachte Ungerechtigkeit oder gar Gewaltsamkeit gegen die eigenen Knechte Schande über ihre Herren und konnte ihren Untergang herbeiführen.

Daneben gab es Hausierer und Landstreicher. Zwischen ihnen und Händlern wurde kein wesentlicher Unterschied gemacht, sofern sie keine Fernhändler waren.

Eine Notiz zur Ökonomie

Island ist ein karges Land. Die Isländer waren zumeist Auswanderer aus Norwegen, die ein Leben in Island der Unterordnung unter norwegische Könige vorzogen - und bekanntlich ist auch Norwegen kein Agrarparadies. Eisen und Eisenwaren mussten nach Island ebenso eingeführt werden wie die meisten "Kulturgüter". Holz- und Knochenwerkzeuge waren nicht unüblich.

Reichtum bestand in erster Linie in Vieh und Weideland, wobei unter "Vieh" hauptsächlich Schaf- und Pferdeherden zu verstehen sind. Rinder waren seltener, so selten, dass ein auffälliger Bulle so etwas wie eine Berühmtheit sein konnte. Der Fischfang spielte eine wichtige Rolle bei der Ernährung. Es konnte geschehen, dass ein Streit wegen eines gestrandeten Wals zu einer Blutfehde führte.

Schiffe waren teuer und kostbar, zumal sie meist in Norwegen gebaut worden waren. Man konnte zB ein halbes Schiff kaufen oder mieten.

Regelrechte Kriegswaffen oder gar Kettenpanzer waren in Island nahezu unerschwinglich. Wer sie besaß, hatte sie zumeist auf Auslandsfahrten erworben. Isländer ließen sich von skandinavischen Königen anwerben, einige kamen bis Miklagard ("Große Festung", Konstantinopel) und dienten in der Warägergarde.

Kamen Händler nach Island, legte die örtliche Lokalgröße die Preise der Waren fest, wahrscheinlich um unmäßige Forderungen für Dinge, die es in Island nicht gab, zu unterbinden.

Es gab im gesamten heidnischen Norden keinen einheitlichen Eigentumsbegriff. Es wurde grundsätzlich unterschieden zwischen Land (das in Skandinavien der Sippe gehörte und weniger leicht als in Island verkauft werden konnte), "beweglichem Gut" (Vieh etc.) und persönlichen Dingen wie Kleidung und Waffen, die nicht der, sondern zur Person gehörten. So gerät in der Gisla Saga ein bedeutender Mann in erhebliche Schwierigkeiten, weil er einem seiner Knechte widerrechtlich dessen kostbares Schwert wegnimmt.

Frauen und Männer

In den Isländersagas stehen Frauen in der Munt ihrer Väter oder Ehemänner - ob das nicht eine Übertragung der späteren christlichen Verhältnisse ist, ist fraglich. Unverheiratete erwachsene Frauen führten jedoch eigene Hauswesen. Es war nicht unüblich, dass ein Mann keinen Vaternamen (Thorgrimsson), sondern einen Mutternamen führte (Sven Aestridsson, König von Dänemark), wenn die Mutter bedeutender war als der Vater. Einige Isländersagas kennen regelrechte "Matriarchinnen" wie Unn in der Laxardaelarsaga.

Die Tochter Eriks des Roten organisierte und führte eine Expedition nach Vinland (Neufundland).

Ehen kommen in Isländersagas typischerweise so zustande, dass der Bräutigam in spe den Schwiegervater in spe anspricht, dieser dann aber seine Tochter um ihre Meinung fragt.

Verheiratete Frauen behielten ihr Eigentum und konnten im Falle von Trennung oder Ehescheidung sehr erhebliche Forderungen stellen. Die Ehe verband Sippen miteinander, nicht nur Einzelpersonen, war also auch (lokal-)politisch von erheblicher Bedeutung. Dies sind die Gründe für die meist tödlichen Folgen (für den Liebhaber oder den Ehemann) von Ehebruch.

Unsittliches Verhalten erlaubte auch und gerade Frauen, sich legal von ihren Ehemännern zu trennen. Trug ein Mann ein Hemd mit zu tiefem Ausschnitt, war das ein Scheidungsgrund. Aufreizendes Gebaren und Zurschaustellung körperlicher Reize war auch bei Männern tadelnswert – also nicht (wie im christlichen Abendland) auf Frauen beschränkt. Einige männliche Skandinavier der Heidenzeit schminkten sich, trugen Schmuck und nicht selten Tätowierungen.

Männer durften mit Genehmigung ihrer Ehefrau Nebenfrauen haben.

Witwen heiraten oft wieder, so führte Gudrun in der Laxardaelarsaga vier Ehen. In dieser greift auch eine Frau (Aud) selbst zur Waffe, um sich für eine Beleidigung durch ihren Ehemann zu rächen.

In den Isländersagas führt häufig der Druck, den Frauen auf ihre Ehemänner ausüben, zu Totschlag und Blutfehde. Dabei spielt freilich die christliche Misogynie eine Rolle, es ist aber auch ein regelrechter Beleg für Machtmittel, über die Frauen verfügten.

Weise, Seherinnen und Zauberer

Dass wegen ihrer Weisheit berühmten Männern die Sehergabe zugesprochen wurde, war nicht unüblich. Andererseits wurde sehr wohl zwischen Klugheit und Schlauheit einerseits und der Sehergabe andererseits unterschieden. So galt zB der Gode Snorri als schlau und verschlagen, aber nicht als Seher.

Einige Sagahelden (zB Gisli Súrsson) haben "Traumfrauen", die ihnen im Traum Prophezeiungen eingeben.

Seher und Seherinnen waren selten. Ihre Befähigung verschaffte ihnen einerseits hohes Ansehen, andererseits stellte es sie auch außerhalb der "normalen" Gesellschaft. Dies galt besonders für die sehr seltenen und daher sehr berühmten Seherinnen.

Gänzlich außerhalb der Gesellschaft standen die Sudkünstler oder Zauberer, die sowohl als Einzelpersonen als auch als Familien in Isländersagas auftreten. Sie begaben sich meist in den Schutz eines Mächtigen und dienten diesem durch Verfluchung von dessen Feinden, Verhexung von Waffen und dergleichen.

In Isländersagas treffen Prophezeiungen immer ein, können aber missdeutet werden. Zauber wirken immer (verheerend und tödlich), und die einzige Möglichkeit, sich vor ihnen zu schützen, besteht darin, den Zauberer umzubringen. Flüche wirken jedoch über den Tod des Zauberers hinaus.

Wiedergänger und Werwölfe

Besonders unliebsame Zeitgenossen bleiben nicht tot, sondern spuken auf ihrer einstigen Hofstelle herum. Wiedergänger sind durchaus körperlich, verfügen über gewaltige Kräfte und greifen die Lebenden an. Man muss sie ausgraben und verbrennen, um sie loszuwerden.

Werwölfe hingegen sind lebende Männer. Sie vererben ihre Gabe, manchmal nur teilweise. So wurde der Vater des Skalden Egil Skallagrimsson, Skallagrim (Glatzen-Grim), Kveldulfr (Abendwolf) genannt, weil er nach Einbruch der Dämmerung unleidlich und gefährlich wurde. Egil selbst galt als gewaltiger Kämpfer.

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